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Untersuchung des
Schott.
Geistes
Und dies ist bei dem religiösen Enthusiasmus der Zeit gar nicht
unglaublich. Denn damals fand das. Volk ein Vergnügen an der
ermattendsten und quälendsten Andacht." So z. B. stellten sie es
1653 bei Austheilung des Abendmahls tolgendermaassen an: Am
Mittwoch fasteten sie und hörten langer als acht Stunden Gebete
und Predigten an; am Sonnabend" hörten sie 2 oder 3 Predigten,
und-am Sonntage war die Anzahl der Predigten so gross, dass
sie über 12 Stunden in der Kirche blieben; und dann zum Schluss
des Ganzen Wurden am Montage noch 3 oder 4 Predigten gehalten,
als Danksagung. 24) Ein solcher Eifer und doch so viel Geduld
zeigen uns einen ganz eigenthümlichen Zustand der Gesellschaft;
wir finden nichts Aehnliches in der Geschichte irgend eines civili-
sirten Landes. Dieser heisse Wunsch, zu hören was ihre Prediger
nur irgend zu sagen hätten, war an sich schon eine höchst
schmeichelhafte Huldigung und wurde natürlich von dem Glauben
begleitet, dass sie mit einem Lichte begabt seien, welches ihren
weniger begünstigten Landsleuten vorenthalten bliebe. Es kann
uns nicht überraschen, dass die Geistlichen sich zu keiner Zeit
und in keinem Volk durch ihre Demuth oder durch Mangel an
Selbstvertrauen ausgezeichnet haben, unter Umständen, die ihren
Anmaassungen so überaus günstig waren, etwas übermüthig wurden
und selbst eine Macht in Anspruch nahmen, die über das Maass
hinausging, welches man ihnen zugestand. Und da dies genau
mit der folgenden Geschichte von Schottland in Verbindung steht,
so müssen wir einige Nachrichten über ihr Betragen sammeln.
Dies wird dann noch den weiteren Nutzen haben, den wahren
Charakter der geistlichen Herrschaft ins Licht zu stellen und zu
zeigen, wie sie nicht nur auf das intellectuelle, sondern auch auf
das praktische Leben einesVolkes wirkt.
Nach der presbyterianischen Verfassung, welche im 17. Jahr-
hundert ihre Höhe erreichte, wählte der Prediger des Kirchspiels
eine gewisse Anzahl Laien, auf die er sich verlassen konnte und
die unter dem Namen der Aeltesten seine Rathgeber oder vielmehr
24) „But where the greatest part was more sound, they gave the sacrament with
a new und unusual solemnity. On tlfe Wednesday before, they held a fast day, with
prayers und sermons for about eight or ten hours together: on the Saturday they had
two or fhree preparatiou sermons: und on the Lord's day they had so very many, that
the actilon continued above twelve hours in some places: aud all ended with three or
four sermons on Monday for thanksgiving." Burnefs Hislory of bis 011m Time, I, 108,