und
Jahrh.
319
vergessen ist. Ja, es ist nur zu wahr, ein solches Werk verlangt
nicht nur verschiedene Köpfe, sondern auch die Erfahrung ver-
schiedener auf einander folgender Generationen. Einst, ich gestehe
es, dachte ich anders. Damals, als ich zuerst eine Ucbersicht über
das ganze Feld des Wissens gewann und, wenn auch noch unklar,
seine verschiedenen Theile und ihr Verhältniss zu einander erkannte,
fühlte ich mich von seiner überschwenglichen Schönheit so ent-
zückt, dass mein Urtheil verführt wurde und dass ich mich für
fähig hielt, nicht nur die Oberfläche zu bestreiten, sondern auch
des Einzelnen Meister zu werden. Wie wenig wusste ich wie der
Horizont sich cbcnsowohl erweitert als zurückweicht, und wie wir
vergebens die iiüchtigen Gestalten zu ergreifen suchen, die dahin
schwinden und uns aus der Ferne tauschen. Von Allem-, was ich
zu thun gehoüt hatte, finde ich mich jetzt nur zu gewiss" auf einen
sehr geringen Theil beschränkt. In dem, was ich mir zuerst aus-
zuführen vermass, war Vieles phantastisch, vielleicht auch thörieht.
Vielleicht lag darin ein sittlicher Fehler und eine Anmassung, wie
sie einer Kraft eigen ist, die ihre eigene Schwache nicht erkennen
will. Aber selbst jetzt, da diese Verrnessenheit niedergeschlagen
und vernichtet ist, kann ich es nicht bereuen, ihr nachgegeben zu
haben, im Gegentheil, ich würde sie gern wieder hervorrufen,
wenn ich es vermochte. Denn solche Hoffnungen gehören jener
freudigen und lebhaften Periode unseres Lebens an, wo wir allein
jvahrhaft glücklich sind; wenn die Triebe thatiger sind als der
Verstand, wenn die Erfahrung unser Wesen noch nicht gehärtet
hat, wenn die Leidenschaften noch nicht gebrochen und im innersten
Keime erstickt sind; wenn man die Bitterkeit der Enttäuschung
noch nicht gefühlt hat und darum keine Schwierigkeiten achtet,
keine Hindernisse erblickt, der Ehrgeiz ein Vergnügen statt einer
Qual ist, das Blut "rasch durch die Adern fliegt, die Pulse hoch
schlagen und das Herz klopft bei der Aussicht in die Zukunft.
Das sind herrliche Tage, aber sie verlassen uns, und nichts kann
uns für ihre Abwesenheit entschädigen. Mir erscheinen sie jetzt
mehr als die Trugbilder einer ungeordneten Phantasie, denn
als nüchterne Realitäten der Dinge, die da waren und nicht
mehr sind. Es ist peinlich dieses Gestandniss zu thun, aber ich
bin es dem Leser schuldig; denn ich will nicht, dass er glauben
soll, ich könne in diesem oder in den folgenden Bänden meingr
Geschichte mein Pfand einlösen und Alles leisten, was ich ver-
sprochen habe. Etwas hoffe ich zu leisten, was die Denker unserer