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Zustand von
Schottland
wie Georg Buchanan, David Hume und Adam Smith, lässt sich
durch einige Schreier und unwissende Priester einschüchtern, giebt
ihnen eine Freiheit und zollt ihnen eine Unterwürligkeit, die eine
Schmach für das Zeitalter und mit den gewöhnlichsten Begrifen
von Freiheit unvereinbar sind. Ein Volk, welches in vieler Hin-
sicht sehr fortgeschritten ist und über politische Gegenstände sehr
aufgeklärte Ansichten hegt, ent-wiekelt in religiösen Dingen eine
Kleinheit des Geistes, eine Unduldsamkeit der Gesinnung, eine
Hilze des Temperaments und eine Sucht zur Verfolgung Anderer,
welche beweist, dass der Protestantismus, dessen es sich rühmt,
ihm nichts genützt hat, dass er das Volk in den wichtigsten
Dingen so beschränkt gelassen hat, als er es vorfand, und dass
er nicht im Stande gewesen es von Vorurtheilen zu befreien, die
es zum Gelächter Europas machen, ja die den Namen der Schot-
tisehen Kirche zum Sprüchwort und zum Schimpf bei allen Männern
von Bildung gestempelt haben.
Ich will es nun zu erklären suchen, wie dies Alles entstand
und wie scheinbar so unverträgliche Dinge zu vereinbaren sind.
Dass sie zu vereinbaren sind und dass die Unverträglichkeit nur
scheinbar, nicht eine reelle ist, wird sogleich jeder zugeben, der
überhaupt einer wissenschaftlichen Auffassung der Geschichte fähig
ist. Denn in der sittlichen sowohl als in der physischen Welt
giebt es nichts Anomales, nichts Unnatürliches, nichts Sonderbares.
Alles ist Ordnung, Gleiehmaass und Gesetz. Es giebt Gegensätze,
aber keine starren Widersprüche. lm Charakter einer Nation ist
Mangel an Folgerichtigkeit unmöglich. So sehr ist jedoch der
menschliche Geist noch zurück, und mit so verderbtem und vor-
urtheilsvollem Blick treten wir an die grössten Probleme heran,
dass nicht nur gewöhnliche Schriftsteller, sondern selbst Männer,
von denen man Besseres hätte erwarten sollen, in diesem Punkt
beständiger Verwirrung ausgesetzt sind und sich und ihre Leser
mit ihrem Gerede von Abnormitäten verblüifen, als wären sie eine
Eigenschaft des Gegenstandes ihrer Untersuchung, statt, wie es
in Wahrheit der Fall ist, nur das Maass ihrer eigenen Unwissenheit
zu sein. Es ist das Geschäft des Historikers, diese Unwissenheit
Zu beseitigen durch den Nachweis, dass die Bewegungen der
Nationen vollkommen regelmässig und, wie alle andern Bewegungen,
lediglich durch ihre Antecedenzien bestimmbar sind. Wenn er dies
nißht 11111111 kann, so ist er kein Historiker. Er mag ein Annalist,
ein Biograph, ein Chronikenschreiber sein, aber höher kann er