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Zustand
VOTJ.
Schottland
Thaten der Schotten im 18. Jahrhundert auf eine ihrer Wichtigkeit
angemessene Weise zu erzählen, würde eine eigene Abhandlung
erfordern, und ich kann mich hier nicht einmal aufhalten zu er-
wähnen, was alle Gebildeten zum Mindesten theilweise wissen, da
jeder den Werth dessen, was für seine Wissenschaft gethan Werden
ist, anerkennt._ In dem letzten Kapitel dieses Bandes will ich
jedoch versuchen, von dem Ergebniss im Allgemeinen und im
Ganzen einen Begriff zu geben; hier genüge so viel, dass dieses
einst arme und unwissende Volk in jedem Falle originelle und
bedeutende Denker hervorbrachte. Was dies um so merkwürdiger
macht, ist sein entschiedener Gegensatz zu dem früheren Zustande
dieses Volks. Bis zum Anfange des 18. Jahrhunderts herab konnte
Schottland sich nur zweier Schriftsteller rühmen, deren Werke
der Menschheit genutzt haben. Es waren Buchanan und Napier.
Buchanan war der erste politische Schriftsteller, Welcher genau
bestimmte Ansichten über die Regierung des Staats hatte und das
wahre Verhältniss zwischen Volk und Regierung deutlich und
bestimmt aufstellte? Er begründete die Rechte des Volks auf
sicherer Unterlage und rechtfertigte im Voraus alle folgenden
Revolutionen. Napier, der eben so kühn in einem andern Fache
war, gelangte durch eine gewaltige Anstrengung seines Geistes
zu der Entdeckung und zur vollen Entwickelung eines Gesetzes
über die Progression der Zahlen, welches so einfach und doch so
mächtig ist, dass es die abschreckendsten und verwickeltsten
Rechnungen auflöst, und so eine bedeutende Kopfanstrengung und
eine unberechenbare Zeitverschwendung gespart hat. Beide waren
wirklich grosse Wohlthäter des Menschengeschlechts; aber sie stehen
allein, und wenn alle andern Schriftsteller, die Schottland bis zum
Schluss des 17. Jahrhunderts hervorgebracht, nie geboren worden
wären oder wenigstens nicht geschrieben hätten, so hätte die
menschliche Gesellschaft nichts verloren, sondern wäre genau in
derselben Lage, wie sie jetzt ist.
uJedoch im Anfange des 18. Jahrhunderts machte sich eine
Bewegung über ganz Europa fühlbar, und an dieser Bewegung
nahm Schottland Theil. Ein Geist der Untersuchung, so allgemein
und so eifrig, war zum Vorschein gekommen, dass sich kein Volk
seiner Einwirkung gänzlich entziehen konnte. Lebhafte Menschen
waren in Aufregung und selbst langsamere fühlten sich angeregt.
Es schien als wenn eine lange Nacht zum Abschluss kommen wolle.
Licht brach hervor, wo vorher nichts als Finsterniss gewesen.