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treu. Aber im Ganzen leidet es keinen Zweifel, dass in Nieder-
Schottland vor der Mitte des 18. Jahrhunderts die Bande der Zu-
neigung aufgelöst waren, welche in früheren Zeiten die Schotten
zu Zehntausenden bewogen hatten, ihren Vorgesetzten in jeder
Sache zu folgen und auf einen Wink ihr Leben für sie zu opfern.
Der Geist, den man einst für feurig und edelmiithig gehalten, der
sich aber bei tieferer Untersuchung als nieder-trächtig und sklavisch
ausweist, war jetzt fast erloschen, ausser bei den barbarischen
Bergschotten, deren Unwissenheit in den Geschäften sie lange von
dem Einfluss des Stroms der Begebenheiten aussehloss. Dass die
nächste Ursache dieser Veränderung die Union war, wird wohl
Niemand leugnen, der die Geschichte dieser Zeit genau studirt
hat, und dass die Veränderung wohlthätig war, kann nur von den
sentimentalen 'l'raumern bezweifelt werden, denen das Leben mehr
eine Sache des Gefühls alstdes Denkens ist „ und die reelle und
handgreifliche Interessen verachten, ihrem eigenen Zeitalter sein
materielles Gedeihen und seine Liebe zum Luxus vorwerfen, als
wenn dies Folgen niedriger und schmutziger Wünsche wären, die
der höheren Stimmung vergangener Tage unbekannt gewesen.
Phantasten dieser Art mag es wohl so vorkommen, als bilde der
barbarische und unwissende lildelrnann, den ein Schwarm von
ergebenen Hintersassen umringte, und der mit roher Einfachheit
in seinem elenden düstern Schlosse wohnte, ein schönes Gemälde
jener uneigennützigen-und nicht rechnenden Zeiten, WO die Men-
schen, statt Kenntnisse oder Wohlstand oder Bequemlichkeit zu
suchen, mit der frugalen Einfalt ihrer Väter zufrieden Waren, und
wo von dem einen Stande der Schutz gewährt, von dem andern
die Dankbarkeit gefühlt und daher die Rangordnung in der Gesell-
schaft aufrecht erhalten und ihre verschiedenen Elemente durch
Sympathie verbunden und durch die Gewalt gemeinsamer Gemüths-
bewegungen statt wie jetzt durch rohe Maximen eines gemeinen
und selbstsüchtigen Nutzens zusammengehalten wurden.
Wer jedoch durch die Wissenschaft einige Bekanntschaft mit
dem wahren Verlauf menschlicher Dinge erlangt hat, wird sehen,
dass in Schottland wie in jedem andern oivilisirten Lande der
Verfall der Adelsmacht wesentlich zum allgemeinen Fortschritt ge-
hört. Man muss es daher als ein Glück betrachten, dass diese
Macht, welche bei den Schotten immer übergross gewesen war,
im 18. Jahrhundert nicht nur durch allgemeine Ursachen, wie sie
überall in Thatigkeit waren, sondern auch durch zwei geringere