188
VOXI
Zustand
Schottland
160 Jahre gedauert hatte, kam er 1560 zum Abschluss durch
den Triumph der Aristokratie und den Umsturz der Kirche. Mit
einer solchen Gewalt hatten aber die Verhältnisse, die ich eben
erzählt, den Aberglauben in den Charakter der Schotten eingeätzt,
dass der geistliche Stand sich schnell wieder erholte, und die
Priester unter dem neuen Namen der Protestanten eben so furcht-
bar wurden, als sie unter ihrem alten Namen als Katholiken
gewesen waren. 43 Jahre nach der Einführung der Reformation
in Schottland bestieg Jacob VI. den Thron von England und
konnte die Macht des südlichen Theiles von Schottland gegen die
widerspenstigen Barone des Nordens aufbieten. Von diesem Augen-
blick an ging die Schottische Aristokratie ihrem Untergange ent-
gegen; dadurch war das Gleichgewicht dem Clerus gegenüber auf-
gehoben und die Kirche wurde so mächtig, dass sie Während des
17. und 18. Jahrhunderts das wirksamste Hinderniss gegen den
Fortschritt Schottlands bildete; ja, noch heutiges Tages übt sie eine
Herrschaft aus, welche denen unbegreiflich ist, die nicht die ganze
Kette von Antecedenzien sorgfältig studirt haben. Den langen
Verlauf der Angelegenheiten, welcher zu diesem unglücklichen
Ergebniss geführt hat, ins Einzelne hinein zu verfolgen, würde
mit dem Zweck einer Einleitung, welche nur weitgreifende und
allgemeine Prinzipien aufstellen soll, unverträglich sein. Um aber
die Frage klar vor die Seele des Lesers zu bringen, wird es nöthig
sein, eine fiüchtige Skizze der Beziehung des Adels zu der Geist-
lichkeit im 15. und 16. Jahrhundert zu geben und zu zeigen, wie
die Stellung beider gegen einander und ihr unversöhnlicher Hass
die Reformation zu Wege brachte. Hieraus werden wir sehen,
dass die grosse protestantische Bewegung, welche in andern
Ländern demokratisch war, in Schottland aristokratisch gewesen
ist. Auch werden wir sehen, dass die Reformation in Schottland,
Weil sie nicht das Werk des Volks war, auch nie die Wirkung
hervorgebracht hat, die man von ihr hätte erwarten sollen und
die sie in 'England hervorgebracht. Ja es ist nur zu klar,
während in England der Protestantismus den Aberglauben ver-
mindert, den Clerus geschwächt, die Duldung vermehrt, mit einem
Wort, den Triumph weltlicher Interessen über die geistlichen ge-
sichert hat, so ist ihr Erfolg in Schottland ein ganz anderer
gewesen. Hier hat die Kirche ihre Form, aber nicht ihren Geist
geändert; sie hat nicht nur ihre alten Anmaassungen, sondern
unglücklicherweise auch ihre alte Macht aufrecht erhalten; nun