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Zustand _von Schottland
raschendes Symptom des Zustandes der öffentlichen Meinung und
der Geschichte des Volks, unter dem er stattünden durfte.
Während jedoch hinsichtlich der Unterthanigkeit der Gegensatz
zwischen Schottland und Spanien vollständig ist, so ist sonderbarer
Weise die schlagendste Aehnlichkeit zwischen beiden Ländern hin-
sichtlich des Aberglaubens vorhanden. Beide Völker haben ihrer
Geistlichkeit eine unbegrenzte Herrschaft eingeräumt und beide
haben ihre Handlungen sowohl als ihr Gewissen der Gewalt der
Kirche unterworfen. Als eine natürliche Folge davon war Unduld-
samkeit in beiden Ländern ein schreiendes Uebel und ist es noch;
in der Religion wird noch immer eine Bigotterie entwickelt, die
eine Schmach für Spanien wäre, aber noch viel schmahlicher für
Schottland ist. Schottland hat mehrere höchst ausgezeichnete
Philosophen hervorgebracht, diese hätten das Volk sehr gern eines
Bessern belehrt, aber vergebens versuchten sie diesen ernstlichen
Makel aus dem Volksgeiste zu entfernen; einen Makel, der seine
Schönheit verunstaltet und seine vielen andern bewundernswürdigen
Eigenschaften aufzuwiegen droht.
Hierin liegt das scheinbar Paradoxe und das wirklich Schwierige
der Schottischen Geschichte, dass die Wissenschaft hier nicht die
Wirkungen hervorgebracht wie anderswo, dass eine kühne forschungs-
süchtige Literatur sich bei einem gröblich abergläubischen Volke
findet und diesen Aberglauben nicht vermindert; dass das Volk
sich fortdauernd seinen Königen widersetzt und fortdaucrnd seinen
Priestern unterliegt, dass es freisinnig in der Politik und unfrei-
sinnig in der Religion ist, und dass als natürliche Folge von
alledem Menschen, die in dem sichtbaren und ausseren Gebiete
' der Thatsachen und des praktischen Lebens eine selten erreichte
Schlauheit und Kühnheit entwickeln, dennoch im speculativen
Gebiete und in theoretischer Hinsicht wie Schafe vor ihren Pastoren
zittern und jeder Abgeschmacktheit ihre Zustimmung geben, "wenn
ihre Kirche sie nur geheiligt hat; dass so widerstreitende Dinge
neben einander bestehen können, scheint auf den ersten Blick ein
seltsamer Widersinn und ist gewiss eine Erscheinung, die unsere
sorgfaltigste Aufmerksamkeit"verdient. Die Ursachen dieser unge-
wöhnlichen Erscheinung nachzuweisen und die Folgen aufzuzeigen,
zu denen sie geführt, wird die Aufgabe des noch übrigen Theils
dißSßS Bandes sein; und obgleich die_ Untersuchung sich etwas in
die Länge ziehen wird, so. wird sie doch hoffentlich nicht lang-
weilig gefunden werden, wenn man die Wichtigkeit der Unter-