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des
Geschichte
Span.
Geistes
Forschung, bestätigte er blos die Sitten der Nation, welche seine
Vorfahren missachtet hatten. Der Anhalt, welchen die Hierarchie
dieses Landes an der öffentlichen Meinung hat, ist "immer sprich-
wörtlich gewesen; aber er ist sogar noch grösser als man gewöhn-
lich glaubt." Wie es damit im 17. Jahrhundert stand, haben wir
schon gesehen, und im 18. Jahrhundert finden sich keine Zeichen
seiner Verminderung, ausser bei wenigen kühnen Männern, die
nichts ausrichten konnten, so lange die Stimme des Volks ihnen
so stark entgegen War. Ganz im Anfange der Regierung Philipp's V.
berichtet uns Labat, der in Spanien reiste, wenn ein Priester die
Messe lese, so hielten es Adelige vom höchsten Range für eine
Ehre, ihm beim Ankleiden zu helfen; sie liessen sich auf ihre
Kniee nieder und küssten ihm die Handeßßß) Wenn dies die
stolzeste Aristokratie Europas that, so können wir uns denken,
was die-allgemeine Stimmung gewesen sein muss. Und Labat
versichert uns wirklich, ein Spanier würde kaum für reehtglaubig
gelten, wenn er der Kirche nicht einen Theil seines Vermögens
hinterliess; so durch und durch war die Verehrung der Hierarchie
ein wesentlicher Bestandtheil des Nationalcharakters geworden. 339)
Ein noch interessanteres Beispiel kam zum Vorschein bei
Gelegenheit der Jesuitenvertreibung. Diese einst nützliche, jetzt
aber unbequeme Körperschaft war im 18. Jahrhundert, was sie im
19. ist, der hartnäckige Feind des Fortschritts und der Duldung.
Die Könige Spaniens sahen, dass der Orden sich all ihren Reform-
planen widersetzte und beschlossen, sich des Hindernisses, auf das
sie bei jedem Schritte stiessen, zu entledigen. In Frankreich
waren die Jesuiten eben als eine öüentliche Plage behandelt und
338)! "Ceux qui servent 1a messe en Espugne, seit Religieux, ou Seculiers, ne
manquent jamais (Yaider le Prätre ü. ähabiller, et le font avec beaucoup de respect.
Les plus grands Seignäurs s'en font honneur, et ä mesure qlfils präsentent au Prätre
quelqug partie des ornemens, ils lui baisent 1a main. On se met ä genoux pom-
donner ä laver au Prätre pendant 1a Messe, et apräs qu'il a essuyö ses doigts, celui
qui lui a donnä l'eau demeurunt ä, genoux lui prösente le. bassin retournä, sur lequel
1e Prätre met sa main pour 1a hii laisser haiser. Au retour ä 1a Sacristie, il ne manque
pas d'aider le Prätre ä se dellshabiller, apräs quoi il se met ä gqnoux pgur reeevoir 5a
bänädictidn, et baiser sa main." Labat, Voyages m Espagne e; m Imlie, Paris
1730, I, 361
339) „Telle est 1a coütume du Pais, on äexposeroit ä laisser douter de sä foi, et
passer au moins pour Maran, ou Chrätieu nouveau, si on ne laissoit pas le üers de
ses biens nlobiliers ä 1'Eglise." Labat, Voyages m Espwgne, I, 268.