VOM
des
bis zur Mitte
19. J ahrh.
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Weder vermehren noch vermindern. Weil sie unfähig zum Zweifeln
waren, so waren sie" es auch zum Forschen. Neue herrliche Wahr-
heiten, in der klarsten und anziehendsten Sprache vorgetragen,
vermochten keinen Eindruck auf Menschen hervor-zubringen, deren
Gomuther so verhärtet und in solcher Sklaverei gebunden waren. m)
Ein unseliges Zusammenwirken von Ereignissen, das seit dem
5. Jahrhundert keine Unterbrechung erlitten, hatte dem National-
charakter von vorn herein eine eigenthümliche Richtung gegeben,
und gegen sie vermochten Staatsmänner, Könige und Gesetzgeber
nicht das Mindeste. Das 17. Jahrhundert war jedoch der Höhe-
punkt dieser ganzen Bewegung. In diesem Zeitalter fiel die
Spanische Nation in einen Schlaf, aus dem sie als Nation seitdem
nie wieder erwacht ist. Es war kein Schlaf der Ruhe, sondern
des Todes, ein Schlaf, in dem die Fähigkeiten, statt auszuruhen,
vom Schlage gelähmt Wurden und in dem eine kalte allgemeine
Erstarrung der ruhmreichen, wenn auch nur theilvveisen Thätigkeit
folgte, welche den Spanischen Namen- zum Schrecken der Welt
gemacht und ihm die Achtung selbst seiner bittersten Feinde ge-
sichert hatte.
Sogar die schönen Künste, in denen sich die Spanier früher
ausgezeichnet, nahmen an der allgemeinen Entartung Theil und
waren, nach dem Bekenntniss ihrer eignen Schriftsteller, im Anfange
des 18. Jahrhunderts gänzlich in Verfall gerathen. 237) Die Kunstfertig-
keiten, die der Sicherheit des Volks dienen, waren in demselben
Zustande als die, welche seinem Vergnügen dienen. Kein Mensch
in Spanien verstand ein Schilf zu baueny-keiner es aufzutakeln,
wenn es gebaut war. In Folge dessen befanden sich am Ende
236) Townsend (Joumey tkrough ßyoain in 1786 und 1787, II, 275) sagt: "Don
Antonio Solano, professor of experimcntal philosophy, merits attention for the eleamßgg
and precisiou of his demonstrations; but, unfortunately, although his lectures are
delivered gratis, such is the want of taste foi scienee in Madrid, that nobody attends
them."
'37) „La ignorancia reinante en los Äiltimos aüos del siglo XVII. depravö an m1
manera. el buen gusto, que ä. principios del XVIII. las artes se hallaban en 1a mas
lastimosa decadencia." Tapia, Oivilizacion Espaüola, Madrid 1840, IV, 345 Siehe
auch über diesen Verfall oder vielmehr Untergang des Geschmacks Velazquez, Oyigenes
de Zu Poesia Castellana, Mulaga, 1754, 4to. „Un siglo corrompido, en que las letras
estabau abandonadas, y el buen giisto casi dpstcrrado de toda 1a nacion." p, 79, "A1
passe que 1a nacion pgrdia e1 buen gusto, y las letras iban caminando ä. su total
decadencia." p. 107. "Los eaminps por donde nuestros poetas en el siglo P3533110 59
apartaron del buen gusto en estn parte." p. 170.
Buckle, Geach. d. Civilisation. II. 7