Italienische
Architektur.
Sie finden selbst an der Oede breiter Räume ein gewisses
Wohlgefallen, weil sie späteren unabhängigen Kunstwerken ein
freies Feld. gewährt. Das Nothwendige und das Schöne oder
Zierliche sind daher nicht, wie es der Geist organischer Archi-
tektur fordert, untrennbar verschmolzen, sondern fallen gelegent-
lich auseinander. Hölzerne oder eiserne Anker und äussere
Stützen, die sich ohne irgend eine ästhetische Durchbildung als
Nothbehelf zu erkennen geben, übersieht das Auge des ltalieners
leicht, und erfreut sich dafür an der Schlankheit und Leichtigkeit
der Säule, die, dem Drucke der Gewölbe nicht genügend, solche
Hülfsmittel nöthig machte. Noch weniger aber fragt man bei
Facaden, Giebeln, Bildnischen und ähnlichen Decorationen nach
ihrer organischen Berechtigung, oder nimmt Anstoss an der im
Verhältniss zu der einfachen Anlage allzu üppigen Fülle hinzuge-
fügten Schmuckes oder an dem Wechsel reicherer oder spar-
samerer Decoration an verschiedenen Stellen.
Alle solche Mängel der organischen Einheit verletzen aber
auch uns hier keinesweges so,'wie an nordischen Gebäuden, da
sie nicht als Verstösse gegen eine anerkannte Regel erscheinen,
sondern vielmehr der Grundanschauung, die sich überall zeigt,
entsprechen. Es sind Aeusserungen einer Gesinnung, für welche
das Schöne nur in der Form individueller Leistungen seinen vol-
len Werth hat, welcher der architektonische Organismus Neben-
sache und der Zwang durchgeführter Regel unerträglich ist.
Wenn wir uns auf diesen nationalen Standpunkt zu stellen ver-
mögen, wird nicht nur das Anstössige solcher Willkürlichkeiten
sehr gemildert, sondern wir beginnen selbst in dem zunächst Dis-
harmonischen die innere geistige Harmonie, in der scheinbaren
Unordnung Maass und System zu entdecken. Diese ist hier in der
Kunst ebenso wie in der politischen Geschichte dieser Zeit nur
die natürliche Aeussertntg der Lebensfülle individueller Kräfte
und giebt uns daher ein unbewusstes Zeugniss und Abbild jener
Zustände. Diese Gebäude haben dadurch für den nordischen
Beschaucr etwas Geheimnissvolles, er fühlt sich angezogen und
kann doch nichts von alle dem aufweisen, was er als architekto-
nische Vorzüge zu betrachten gewohnt ist.
Jedenfalls aber entschädigt für diesen Mangel des Ganzen