Italien
im
XIV.
Jahrhundert.
dem Einflusse einer conventionellen, höiischen Sitte, einer eitehi
Sentimentalität wurde die Poesie nun auch noch durch die antiqua-
rische Gelehrsamkeit immer weiter von dem Zusammenhange mit
den höhern Interessen des Volkslebens abgezogen. Danteis Spu-
ren zu folgen fiel keinem dieser Epigonen ein. Petrarca hoffte
durch ein lateinisches Epos von fremdartigem Inhalt seinen Ruhm
zu begründen, und seine italienischen Sonette und Canzonen,
durch welche er der gefeierte Mann der folgenden Jahrhunderte
wurde, verdanken ihren Ruf mehr der Vollendung der Form und
der Sprache, als ihrem Inhalte. Denn seine Liebe zu jener so
vielgenannten Laura ist nur eine Wiederholung jener idealen Lie-
besverhältnisse, die in der Poesie vor Dante den Hauptgegenstand
bildeten, aber so, dass dabei das moralische Ziel, der Hinblick auf
die Veredlung der Seele, kaum noch erkennbar ist, und das senti-
mentale Spiel einzelner Erregungen und spitzfindiger Gedanken
um seiner selbst willen gepflegt wird. Die Verehrung, welche
diese Gedichte dennoch bei dem höfischen und gebildeten Publi-
kum fanden, und die Nachahmungen, welche sie hervorriefen,
konnten daher dem Sinne für Wahrheit und für den Ernst des
Lebens nur nachtheilig sein.
Wie gut sich dieser anspruchsvolle conventionelle Idealismus
mit einem eben so falschen, wahrhaft cynischen Realismus ver-
bindet, beweist die zweite literarisehe Grösse Italiens, Boccaccio.
Verehrer, Lebensbeschreiber und offirieller Erklärer des Dante,
Gelehrter, der eifrig und mit Erfolg für die Einführung antiker
Vorstellungen wirkte, dabei zugleich Verfasser phantastischer
Ritterromane und endlich N ovcllenerzähler von unnachahmlicher
Anmuth, aber auch von einer Unsittlichkeit, wie sie kaum je vor-
gekommen war, ist er in seiner Art ein treues Spiegelbild des
geistigen Lebens Italiens in seiner beginnenden Auflösung und
Zerfahrenheit.
Jemehr diese Poesie nach beiden Seiten, nach der idealisti-
schen und realistischen abirrte, um so deutlicher zeigte sich die
Bedeutung, welche die bildende Kunst für die Nation hatte.
Auf sie führte eigentlich der Beruf hin, der anfangs alsein poe-
tischer erschienen war, ihr kam jene Erregbarkeit des Individua-
lismus zu Gute, ohne sie so leicht auf Abwege führen zu können.