Kirchliche
Verhältnisse.
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der öffentliche Palast war zu seiner Aufnahme bereitet. Man er-
zählt Anekdoten von dem Eifer Einzelner, von dem blinden Gram-
matiker, der weit umherreiste, um dem berühmten Mann die Hand
zu drücken, von dem Goldschmidt von Bergamo, der sich auf-
machte, ihn in Padua zu sehen, und über die freundliche Aufnahme,
die er findet, fast närrisch wurde. Fast noch grösser ist aber die
Verehrung der Vornehmen, der Höfe, selbst der Fürsten. Nicht
bloss König Robert, dessen Gelehrsamkeit und Studienfleiss frei-
lich eine Ausnahme bildet, geht mit ihm um wie mit einem
Freunde, sondern alle Fürsten Italiens wetteifern, ihn mit Ehren-
bezeugungen zu überhäufen. Die Visconti von Mailand, die Car-
raresen von Padua, Azzo von Correggio laden ihn als Gast in
ihre Paläste, Pandolfo Malatesta sendet wiederholt Maler an ihn
ab, um ein befriedigendes Porträt zu erhalten. Und ähnliche Ehren
Wie diesem Manne von europäischem Rufe Iwurden allen Vertre-
tern der Wissenschaft und Poesie zu Theil. Grade die eben em-
porgekommenen Tyrannen gingen dabei voran, theils um sich
populär zu machen, theils Wohl auch aus wirklicher, durch ihr
Emporkommen beförderter Neigung, sich zu unterrichten; aber
auch die legitimen Fürsten und die Republiken versäumten keine
Gelegenheit, solche Männer an ihre Städte zu fesseln oder doch
sie sich zu Freunden zu machen.
Allein, wie gewöhnlich, kam diese Gunst zu spät, nachdem
bereits das Höchste geleistet war, dessen die italienischePoesie
fähig war. Eine Nationalität von so ausgeprägtem Individualis-
mus war kein günstiger Boden für die Poesie, die schon an sich
zum Subjectiven neigt. Dazu kam, dass schon die Art ihrer Ent-
stehung, ihre völlige Sonderung von den Volksliedern der Dialekte
ihr einen vornehmen, exclusiven Charakter, die Neigung zum
Spitzfindigen und Abstracten gegeben hatte. Dante hatte zwar den
Beweis gegeben, dass sich auch mit diesen Mitteln eine Dichtung
von wahrhaft objectivem, alle Seiten des Volkslebens umfassen-
den Inhalte schaffen lasse. Allein abgesehn davon, dass sein Ge-
dicht doch auch nur für höher gebildete Leser passte, gehörte
dazu nicht bloss ein Geist von seiner Tiefe und Energie, sondern
auch ein Zeitalter, das noch Erscheinungen wahrhaft republikani-
schen Gemeingeistes bot. Diese Zeit war jetzt vorüber und neben