Scholastik
und
Antike.
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thum ohne solche Beziehung, als eine Sache selbstständigen
VVerthes, als das natürliche, wiederherzustellende Verhältniss.
Dante's Führer ist der Dichter Virgil, Petrarca fühlt sich von
dem prosaischen Weltmann und Redner Cicero angezogen, eignet
sich von ihm die Neigung und den Styl des Briefwechsels, und
soviel wie möglich seine Denkungs- und Anschauungsweise an.
Das antike Italien ist seine eigentliche Heimath, er setzt unzählige
Male die alten Schriftsteller, die alten Sitten als die eigentlich ein-
heimischen, als die "unseren", den neuem christlichen entgegen.
Während Dante Himmel und Hölle mit seinen Zeitgenossen und
Vorfahren bevölkert, kommt in Petrarczfs Triumphen unter vielen
antiken Helden selten irgend eine Gestalt der christlichen Ge-
schichte vor. Dante verehrt ungeachtet seiner Vorliebe für das
Alterthum die Scholastik als die Lehrerin christlicher Wahrheit.
Petrarca steht zu ihr schon in Opposition, er verspottet nicht bloss
bei jeder Gelegenheit die Weitschweifigkeit und Pedanterie, das
prunkende und anmaassende Wesen der Fachgelehrten, sondern
er bestrebt sich auch augenscheinlich, eine andere Art des Vor-
trags auszubilden, er vermeidet die syllogistische Form, greift
nicht leicht auf traditionelle Sätze zurück, sondern appellirt an die
gemeine Erfahrung und den gesunden Menschenverstand, und
bespricht philosophische Fragen im Conversationstone. Er hatte
dadurch einen bedeutenden Einfluss auf seine Landsleute und
kann als der Erste betrachtet werden, der den- niemals ganz
verschwundenen Sinn für Einfachheit und Natürlichkeit vollends
erweckte und bewusster Weise nach einer Wiederbelebung des
Alterthums strebte.
Mit der gleichzeitig aufkommenden Neigung für ritterliche
und scholastische Formen stand dies nun freilich nicht im Ein-
klange. Beide Elemente, welche im XIII. Jahrhundert und bei
Dante noch zusammengingen, waren so gewachsen, dass ihr
innerer Widerspruch mehr zu Tage trat. Petrarca selbst ver-
mag jene Einfachheit und Natürlichkeit nur in seinen lateinischen
Aufsätzen und Briefen, wo ihm Cicerois Beispiel vor Augen steht,
einigermaassen zlfwahreu. In seinen italienischen Gedichten spürt
man nur in der Form einen und auch da nur bedingten Einfluss
des Klassischen, während der Inhalt, die ideale Liebe zu seiner