Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

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Italien 
im 
XIV. 
Jahrhundert. 
ltalien, das, einst die Herrin der Provinzen, jetzt nur das Buhlhaus 
fremder Völker sei, wirkten nun auf Unzählige anregend, und 
keiner, der die Kraft des Sanges fühlte, unterliess, sich in solchen 
Klagen zu versuchen. Dazu kam, dass die neue, lebendigere 
Sprache auch einen neuen, allgemeinen Patriotismus erzeugte. S0 
lange der Dialekt, den man sprach, kaum in der Nachbarstadt 
verständlich war, konnte man zweifeln, 0b es eine italische Nation 
gebe, welche das Erbrecht an römische Grösse geltend machen 
könne. Jetzt hatte man in der wohlklingenden Sprache, die von 
Sicilien bis zu den Alpen gesungen wurde, den thatsächlichen 
Beweis, dass diese Einheit nicht eine veraltete Sage, sondern trotz 
der politischen Zersplitterung noch eine geistige Wahrheit sei. 
Und selbst in dieser Zersplitterung fand eben so Wohl dieser neue 
Patriotismus wie die Liebe zum Alterthume Nahrung. In einem 
grossen mächtigen Staate würden die neubegründeten Verhält- 
nisse die antike Reminiscenz verdunkelt und in den Hintergrund 
gedrängt haben; in den gährenden Znständelrso vieler kleiner 
Territorien erhielten die Hergänge nur durch die Vergleichung 
mit antiken eine Bedeutung. Zwar hatte der republikanische Sinn 
schon viel an seiner praktischen Kraft verloren, und schon spielten 
mächtigere Fürsten und kleine Tyrannen die Hauptrolle im ge- 
schichtlichen Leben Italiens. Aber auch dafür bot die alle Ge- 
schichte Analogien. Diese Tyrannen und Condottieri erinnerten 
an römische Imperatoren, ihre WVaßentltaten an antike Schlachten, 
ihre Hoffeste gaben den Gelehrten und Poeten erwünschte Ge- 
legenheit, antike Triumphe oder mythologische Hergänge in 
Scene zu setzen, und selbst das republikanische Gefühl, das in 
solcher Unterdrückung fortglimmte und oft in Verschwörungen 
ausbrach, fand in der antiken Welt Beispiele und Worte für seinen 
Hass gegen die Unterdrücker der Freiheit. 
Dante war einer der ersten gewesen, der die Verehrung des 
Alterthums in den Tönen der Vulgärsprache geltend gemacht 
hatte; aber schon seine nächsten Nachfolger gingen weit über 
ihn hinaus. Für ihn ist die Antike, wenn auch Italiens eigne 
Vergangenheit, doch nur wie die alttestamentarische Geschichte 
eine vorbildliche, auf das Christenthum hinweisende Zeit. Schon 
Petrarca, obgleich guter Christ und Geistlicher, betrachtet das Alter-
	        
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