Dante's
sittliches
Ideah
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die Kraft hat, ihn von einer Himmelsstufe zur andern zu heben.
Am stärksten und im schönsten Lichte zeigt sich dann diese
VVärme und Weichheit da, wo Beides , Liebe und Leid, zugleich
die Seele des Lesers mit Mitgefühl ergreifen, in der Geschichte
der Francesca von Rimini, die daher auch zu den berühmtesten
Episoden der göttlichen Comödie gehört. Schon hier sieht man,
dass der Dichter die YVeichheit des Gefühls, durch welche Fran-
cesca zu der in der Hölle gebüssten Schuld gekommen, kaum
noch als eine verzeihliche Schwäche, sondern geradezu als etwas
Liebenswerthes betrachtet; auch nicht ein Wort der Rüge oder
Reue kommt vor und die Strafe selbst ist, da die Liebenden grade
durch dieselbe auf ewig vereint sind, nicht eben eine grausame.
Noch deutlicher aber wird diese Nachsicht gegen die Versündi-
gungen der Liebe im Paradiese ausgesprochen und zwar ge-
wissermassen ofliciell durch den Mund der auf dem Planeten
Venus weilenden Seligen. Der Dichter trifft hier die Cunizza,
Schwester des Tyrannen Ezzeliuo, und den Minnesänger Folco
von Marseille, beides Personen, deren Lebenswandel von den
Geschichtschreibern stark getadelt wird, und von denen Folco
auch noch im Paradiese seine Liebesgluth auf Erden durch Ver-
gleichung mit den bedenklichsten Beispielen des Alterthums als
gewaltig schildert. Beide aber rühmen sich dieser Sünden und
versichern ihn, dass sie „freudenvoll sich ihres Looses Ursache
vergeben, kein Leid drob fühlendmk). Allerdings besteht zwi-
sehen ihnen und der Fraucesca der Unterschied, dass diese, weil
unmittelbar nach der Versündigung ermordet, nicht büssen konnte,
während Folco später Möuch und sogar Bischof geworden war,
und bei Cunizza wahrscheinlich die Busse, auch bei Beiden ein
freilich ihrer Lebenszeit nach sehr rascher Durchgang durch das
Purgatorium vorausgesetzt sein mag. Allein dennoch ist es be-
zeichuend, dass der Dichter gerade diese Personen in den Vor-
grund stellt und also damit ausspricht, dass selbst bei grossen
Verirrungen die (lariirtvirkeiide Liebeswärme verdienstlich und
lobenswerth sei.
Versuchen wir diese verschiedenen Züge zu vereinigen, das
stolze Selbstgefühl, die Freiheitsliebe ünd Ruhmbegiertle, den
Ü Purg. IX. 311- und 63.