Spätgothische
Kirchen.
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Kirchen, welche dieselbe reizvolle Choranlage haben, die einzige
herausgriß, Welche auf andere Bedingungen berechnet war, als
ihm vorlagen, sich einen besonderen Vortheil davon versprochen
haben. Wahrscheinlich bestimmte ihn die sehr geringe Länge
dazu, über welche er aus localen Gründen nicht hinausgehen
durfte, und die wohl für die ältere nach Landessitte nur aus we-
nigen Jochen bestehende Kirchenanlage ausreichend gewesen sein
mochte, aber nicht für eine Kathedrale, wie der aus westlichen
Gegenden stammende Meister i) sie im Sinne hatte. Dies brachte
ihn wohl auf den Gedanken, den Raum da, wo es möglich War,
nämlich auf den Seiten auszudehnen, und gab ihm so das jetzige
ganz ungewöhnliche Verhältniss, dass die Breite fast zwei Drittel
der äussersten Länge beträgt und der innere Körper des Gebäu-
des zwischen der Thurmhalle und dem Chore fast quadratisch ist.
Dies gewährte ihm Raum für einen sehr stattlichen Chor und fiir
ein Kreuzschiff, aber nicht für ein abendländischen Anschauungen
entsprechendes Langhaus, und brachte ihn auf den Gedanken,
statt ein solches in unvollkommener verkürzter Gestalt zu geben,
lieber durch Wiederholung der niedrigen Räume in den Winkeln
die Centralanlage durchzuführen. Wenigstens das Innere erhielt
dadurch eine geregelte Anordnung und vielleicht hätte sich auch,
wenn die Arbeit der Facade nicht in die Hände späterer Meister
gefallen wäre, für diese eine bessere Lösung finden lassen.
Die Zahl erhaltener gothischer Kirchen in Ungarn ist sehr
grossßä), aber sie sind fast alle aus der letzten Zeit der Gothik
"Ü Auch diese Kirche hat man (wie ganz ohne Grund die zu Zsambeck)
dem Vilars de Honnecourt zuschreiben wollen und dabei den Umstand
geltend gemacht, dass ihr Grundriss aus der französischen Gothik und nament-
lich von St. Yved in Braine oder St. Etienne in Meaux entnommen sei
fMitth. IV. S. 146 und 201). Allein abgesehen, dass der jetzige Bau un-
möglich von Vilars herrühren kann, dessen Blüthezeit hundert Jahre früher
fallt, und vorausgesetzt, dass die Kirche des XIII. Jahrhunderts denselben
Grundriss gehabt habe wie die jetzige, ist dieselbe eben keine Nachahmung
von St. Yved oder irgend einer anderen französischen Kirche, sondern von
der völlig deutschen und niemals auf französischem Boden nachgeahmten
Liebfrauenkirche zu Trier.
i") Selbst unter den Dorfkirchen, wie dies die in den Mitth. Bd. Ill.
S. 130 ff. gegebene ausführliche Statistik der Gebäude auf der Donauinsel
Schütt nachweist. Eine vorläufige Nachricht über die grosse Verbreitung