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Schottland.
aber auch von der bisherigen Abhängigkeit von dem begünstigten
Nachbarlande befreite. Es kann sein, dass die Verbindung mit
Frankreich, wohin als zu ihrem natürlichen Bundesgenossen die
Schotten jetzt ihre Blicke richteten, wo ihre Könige und Grossen
sich als Flüchtlinge und Hülfesuchende oft aufhielten, zu dieser
Veränderung beigetragen haben mag. Indessen ist eine entschiedene
Nachahmung französischer Formen nicht nachzuweisen, höch-
stens kann man im Fenstermaasswerk eine Hinneigung zu den
weichen Bogenlinien des „ flammenden "t Styles wahrnehmen.
Aber wohl mochte die Vergleichung dieser verschiedenen Style
die schottischen Meister selbstständiger machen, so dass sie, als
sich in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts die Baukunst
wieder hob, zwar von den hier recipirten Formen des friihengli-
scheu Styles ausgingen und dieselben reicher und anmuthiger
auszustatten suchten, aber keineswegs den Wandlungen der eng-
lischen Gothik folgten. Pennoch kamen gewisse Einzelheiten des
ndecorirten" Styles auch hier in Aufnahme; die Art des Kapitäl-
schmuckes, die Ornamentation an den Bögen und in ihren Höh-
lungen, die künstlichen Versehlingungen der Rippen an den Ge-
wölben. Die Ostwand wurde nun auch hier wie in England statt
mit vielen einzelnen lancetförmigen oder sonst verschiedenartig
gebildeten Oetfnungen mit einem gewaltigen, vieltheiligen und
mit Maasswerk gefüllten Fenster versehen. Aber in andern Be-
ziehungen gingen die schottischen Architekten wieder ihre eige-
nen Wege; die Pfeiler behielten oft die Rundgestalt oder doch
derbere Formen als in England, das Fenstermaasswerk gleicht,
wie schon erwähnt, mehr dem flammenden der französischen
Schule, als dem fliessenden der englischen, der halbkreisförmige
Bogen verschwindet niemals völlig. Besonders kommt dieser
häutig an Portalen vor, welche meistens von mässiger Dimension,
aber zierlicher Ausführung, an den Seitenwänden mit schlanken
Säulen und reichen Kapitälen, in den Kehlen der Archivolten nach
englischer VVeise mit dem s. g. Hundszahn oder verwandten Orna-
menten ausgestattet, und oben durch einen auf Consolen ruhenden
und ähnlich verzierten Deckbogen geschlossen, eine sehr anmu-
thige, bescheidene und doch hinlänglich geschmückte Erscheinung
geben und sich sehr vortheilhaft von den geschweiften, üppigen