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Spanien.
hatte, dass die Beschreiber sie gern mit der feinen Arbeit der
Spitzenklöpplerin vergleichen.
Die Scheu vor maurischen Formen, die sich bisher noch in
vielen Gegenden erhalten hatte, verschwand nun völlig. Die
grössere Gewöhnung an die in den neu eroberten Provinzen er-
haltenen Prachtbauten der Araber und die stärkere Mischung mit
maurischem Blute steigerte die Neigung für diese eleganten und
bizarren Formen, deren Anwendung jetzt ungefährlich erschien.
Peter der Grausame liess den Alcazar von Sevilla ganz in seiner
ursprünglichen Weise sorgsam herstellen und die Stifter einzelner
Kapellen, selbst solcher, die gothischen Kirchen angebaut wurden,
wählten dazu arabische Formen. Es waren auch nicht bloss die
Abkömmlinge maurischer Vorfahren, welche sich mit diesen be-
fassten, vielmehr fehlte es auch nicht an christlichen Baumeistern,
die sie sich aneigneten. Einen Beweis dafür liefert die Betlehems-
kapelle im Kloster de las Huelgas bei Burgos, welche auf vier-
eckigen Grundmauern mit achteckiger Kuppel ganz maurisch
gehalten, mit Slalaktiten, ltlilfeisenbögen, diagonalem Netzwerk
ausgestattet ist, dabei aber doch in der Behandlung mancher
Einzelheiten und in der Einmischung gothiseher Giebelblumen
einen an diesen abendländischen Styl gewöhnten Architekten ver-
räth Bemerkenswerth ist, dass dennoch beide Bauweisen
sich im Wesentlichen getrennt halten; man stellt sie nebeneinander,
aber sie werden, abgesehen von einzelnen Inconsequenzen , nicht
eigentlich gemischt. Indessen mögen die Eigenthümlichkeiten der
spanischen Architektur, die wir oben andeuteten und die später
sich noch immer mehr ausbildeten, die Vorliebe für das Bizarre,
Willkürliche, Abspringende, Ueberfeinerte, für starke Contraste
und für die üppige Fülle des Schmuckes auf einer Einwirkung
des maurischen Styls beruhen. Ohne Zweifel fehlte es jetzt in
Spanien nicht mehr an einheimischen Architekten und die spani-
schen Schriftsteller haben eine grosse Namenliste derselben zu-
sammengestellt. Indessen lassen viele Kirchen französischen Ein-
fluss, noch mehrere aber die Mitwirkung deutscher und nieder-
ländischer Meister vermuthen. Der Namensklang spricht zwar
nur ein Mal für einen solchen, bei dem Juan Franch, welcher im
S. Villa Amil V01. II. p. 54.