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Spanien
Das vierzehnte Jahrhundert stand in sittlicher Beziehung
auch hier hinter dem XIII. zurück; die religiöse und nationale Be-
geisterung nahm ab, während die Wilde Lcidenschaftlichkeit der
Fürsten, besonders jenes D. Pedro von Castilien, der sich den
Namen des Grausamen verdient hat, Thronfolgestreitigkeiten mit
ihrem widerlichen Gefolge von Familienhader bis zum eigenhän-
digen Brudermorde, von Zwiespalt zwischen den Königen und
den Grossen hervorrief, Welche das Land in beständiger Aufre-
gung und Unruhe erhielten und wiederholt die Einmischung eng-
lischer und französischer Heere zur Folge hatten. Allein auch
hier wie so oft wirkten diese an sich ungünstigen Ereignisse nicht
so nachtheilig auf das Volk, wie man glauben sollte. Die innern
Fehden waren vorübergehend, wurden von den Rittern und Söldner-
schaaren ausgefochten und vermochten nicht das Anwachsen des
materiellen tVohlstandes oder dieweitere Entwickelung der gei-
stigen und wissenschaftlichen Bestrebungen, die unter den glück-
licheren Verhältnissen des XIII. Jahrhunderts begründet waren,
bleibend zu hemmen. Das Schauspiel der verbrecherischen oder
unsittlichen Handlungen, welches die Höfe gaben, diente im All-
gemeinen nur dazu, das moralische Gefühl zu tieferen Betrach-
tungen anzuregen. Der Verkelu mit den Fremden endlich erleich-
terte der spanischen Nation die Theilnahme an den Fortschritten
der andern Völker, während es sie zugleich in ihrer abweichen-
den Eigenthümlichkeit bestärkte, und besonders war die Berüh-
rung mit der englisch-französischen Ritterschaft wichtig, deren
neu ausgebildete Grundsätze von Ehre und Courtoisie den hie-
sigen Anschauungen verwandt waren und diese schärfer bestimm-
ten. Wie überall war auch hier das XIV. Jahrhundert- die Zeit,
in der innerhalb der noch durchweg anerkannten kirchlichen Ge-
setzlichkeit das Bewusstsein der eigenen Verantwortlichkeit, aber
damit auch der höheren Berechtigung der Persönlichkeit erwachte.
Indessen war der Gegensatz hier weniger auffallend, weil das
persönliche Selbstgefühl von Anfang an stärker und zugleich der
I. S..56, von S. Salvador in Oüa II. S. 41, des Klosters de 1a Huelgas
bei Burgos III. S. 20, die Kirche S. M. zu Olite in Navarra III. S. 41.
Ein umfggsßndeg Vgrzeichnigs von Bauten diBiEI Epoche bei Caveda a. a. O.
S. 139.