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Spanien.
geschichtlichen Gang der Entwickelung nur erst in seinen allge-
meinen Umrissen erkennen lassen.
Auch darin gleicht Spanien den nordischen Völkern, dass
sich die Baukunst schon frühe zu heben begann, während Italien
noch kaum die äusserste Grenze des Verfalls erreicht hatte. In
den ersten Zeiten, als sich die besiegten Westgothen vor der
Sturmfluth der arabischen Heere in die Gebirge Asturiens retteten,
hatten sie freilich weder Stimmung noch Mittel zu eifriger Krmst-
pflege. Aber die Anfange christlicher Kunst, wie sie sich aus
römischen Traditionen und den noch dunkeln germanischen An-
schauungen gebildet hatten, gehörten doch auch und nicht zuletzt
zu den Gütern, welche sie in diese Einsamkeit flüchteten und mit
treuem Schwerte vertheidigten. Sie waren ja vor Allem Christen,
die sich um das gefährdete Heiligthum der Kirche drängten, und
mit der Kirche war die Kunst untrennbar verbunden. Und als
nun Gott ihren Waffen Erfolg schenkte, als sie den Jahrhunderte
langen Siegeskampf begannen, in dem sie den verlorenen Boden
schrittweise wieder eroberten, war die erste Aufgabe nach jeder
Besitzergreifung, neben den Burgen auch Kirchen und Klöster
zu bauen, theils als Mittel der Colonisation und Befestigung,
theils aber auch um dem Herrn der Heerschaarexi Dank zu sagen
und einen Theil der Kriegsbeute seinem Dienste zu weihen. Die
Baukunst erhielt dadurch eine besondere Bedeutung und neuerrich-
tete Gebäude werden häufiger als in andern Ländern von den Chro-
nisten erwähnt. Könnten wir ihren Werten ganz trauen, so müsste
man annehmen, dass schon die ersten unter diesen siegreich vor-
der einheimischen Monumente verarbeiten sollte. Diese Monumentos archi-
tectonicos de Espaüa, publicados de Real erden werden künftig einen festen
Boden für die Kunstgeschichte bilden, sind aber erst zum kleinen Theil
und ohne systematische Ordnung erschienen. Von deutschen Werken ge
währt Passavanfs Christi. Kunst in Spanien für Architektur soviel wie nichts;
GuhPs unten zu erwähnende Aufsätze über die Kathedralen von Bnrgos und
Toledo sind zwar sehr schätzenswerthe, aber doch vereinzelte Mittheilungen.
Ich habe mich daher nur auf einen allgemeinen Umriss des geschichtlichen
Ganges beschränkt. Wer detaillirtere Angaben zu haben wünscht, finde:
sie bei Caveda, oder auch bei Kugler (Gesch. d. Baukunst Bd. II. S. 233
und Bd. III. S. 512 der mit bewnndernswerthem Fleisse den Versuch
gemacht hat, den unvollkommenen Nachrichten jener spanischen Schriftsteller
eine wissenschaftliche Ordnung abzugewinnen.