Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

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Spanien. 
dieser verwandten Züge ist die sittliche Richtung beider Völker 
doch eine sehr verschiedene; jener Gegensatz zwischen Italien 
und den ehemaligen Provinzen des Reiches, von dem ich früher 
sprach, ist auch hier und zwar grade wegen dieser Aehnlichkeit 
in gesteigertem Maasse vorhanden. Die Empfänglichkeit und 
Begeisterung für die gcrmanisch-christlichen Ideen, deren Man- 
gel den Italienern ihre Sonderstellung gab, ist bei den Spaniern 
durch die beiden Völkern gemeinsamen Eigenschaften auf die 
höchste Spitze getrieben. Während der Italiener vermöge seines 
hohen Selbstgefühls sich isolirt, keine bleibend bindende Ver- 
pliichtung begreift, nur den natürlichen Banden des Blutes , den 
gemeinsamen localen Interessen eine gewisse Berechtigung ein- 
räumt, während er für republikanische Freiheit schwärmt, und 
ein Ideal allgemein menschlicher Grösse und Tugend vor Augen 
hat, setzt der Spanier seinen persönlichen Stolz und seine Ehre 
darin, nicht isolirt und unbedingt frei, sondern Mitglied einer der 
grossen christlich  germanischen Gemeinschaften, durch ihre 
Pflichten und Gesetze gebunden zu sein. Er fühlt sich vor Allem 
als Christ, Edelmann, Ritter, Vasall, als Spanier reinen Blutes, 
sein Ehrgeiz geht dahin, sich als solchen zu bewähren und aus- 
zuzeichnen. Er gehört nothwendig in eine aristokratische Mo- 
narchie, in eine disciplinirte Ordnung, und behält selbst in den 
höchst persönlichen Angelegenheiten, bei den Regungen des Her- 
zens eine Beziehung zu den Regeln der Sitte und der Standes- 
verhältnisse, deren häufige Ueberschreitung dann eine edle Tragik 
erzeugt. Die Verbindung jener germanischen Ideen mit der Gluth 
südlicher Leidenschaft giebt der spanischen Nationalität ihre 
eigenthümliche Schönheit. 
Die Entstehung dieses Gleichgewichts germanischer und 
südlich romanischer Elemente hängt allerdings zunächst mit dem 
langen und anhaltenden Kampfe gegen die Mauren zusammen, 
Welcher die Christenheit zur Einheit nöthigte und Gothen und 
Eingeborne innigst verband. Allein diesem Erfolge war doch 
auch schon früher durch die Eigenthümlichkeit des Westgothischen 
Stammes vorgearbeitet, welcher, indem er in seiner Bildungs- 
fihigkeit und Empfänglichkeit für die Vorzüge römischer Cultur 
die Sprache und manche gute und üble Sitten der Besiegten an-
	        
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