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Sicilien.
entdecken. Aber sie müssen zugestehen , dass die Beibehal-
tung des griechischen Ritus eine anhaltende Vorliebe für die by-
zantinischen Typen erzeugte, so dass sich dieselben in der 'l'afel-
malerei lange und unterschiedslos erhielten, und dass noch an den
Mosaiken, mit denen um 1330 der Chor des Domes zu Messina
geschmückt wurde, die meisten Gestalten ganz denen der älteren
Werke dieser Technik gleichen, und nur die des damals regie-
renden Königs und Erzbischofs, so wie einiger neueren Heiligen
freiere Formen annehmen. Jedenfalls aber fehlt es an allen An-
zeichen, welche auf eine in sich zusammenhängende und in der-
selben Richtung fortschreitende Schule schliessen lassen. 1m
XIV. Jahrhundert regte sich dann allerdings der neue Geist der
Malerei, der sich über ganz Italien verbreitete, auch hier, aber
doch nur in sehr sparsamen, vereinzelten Aeusserungen. Die be-
deutendste derselben ist ein 'I'af'elbild, welches im Anfange dieses
Jahrhunderts aus der Kirche S. Francesco in die Sammlung der
Universität zu Palermo übergegangen ist, und sich selbst inschrift-
lich als Nostra domina de Humilitate und als das im Jahre 1346
ausgeführte VVerk des Malers Magister Bartolomeus de Camu-
lioi") bezeichnet. Es ist in der That überraschend zart und von
feiner Empfindung. Maria sitzt schräg gegen den Beschauer ge-
wendet, wie es scheint, auf einem niedrigen Sessel, den aber der
bläuliche, weite, in ziemlich leichten Falten bis auf den Boden
herabfallentle, auch über den Kopf gezogene Mantel völlig vere
deckt. Nur das schlanke Oval ihres Gesichtes mit kleinem Munde
und ziemlich grossen, aber doch länglich gebildeten Augen, der
feine, leicht gebogene Hals, ein Stück des Brustlatzes und endlich
die Hände sind sichtbar, mit denen sie das nackte, jedoch theil-
weise von dem Mantel umschlossene Kind hält, das, seine heitern
anmuthigen Züge dem Beschaner zugewentlet, die Händchen auf
die Wiewohl bedeckte Brust der Mutter legt. Diese einfache Gruppe
1') So wenigstens scheint der Name in der sorgsamen Abbildung bei
de Marzo II. 174 zu lauten, nicht wie man sonst gelesen: de Camvisio.
Eine kleinere, weniger charakteristische Abbildung bei Hittorf Taf. 75 Nro. 4.
Die Predella, eine vor den Marterwerkzeugen des Herrn kniende Brüder-
sehaft darstellend, welche Hittorf fortgelassen, scheint ein bedeutend späterer
Zusatz, obgleich de Marzo sie für gleichzeitig hält.