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Schlussbetrachtung.
Ueberblickerl wirhieram Schluss den Gang der mittelalterlichen
Kunst in dieser Gegend, so kann es wohl scheinen, dass er ge-
radezu einen Rückschritt bilde. Denn man wird kaum anstehen,
der feierlichen Pracht der Kirchen von Bari und Troja, den Basi-
liken Campaniens mit ihren edeln Mosaiken und Marmorwerken,
selbst der phantastischen Facadenbilduxig der Abruzzen den Vor-
zug vor den schwülstigen und doch gedankenarmen Erfindungen
Bambocciois oder vor der plumpen und steifen Gothik seiner Vor-
gänger zu geben. Allein dennoch war dieser scheinbare Verlust
ein Gewinn. Jene auf antiker oder byzantinischer Tradition be-
ruhende Kunst war ein todter , keiner Entwickelung fähiger Be-
sitz, der mit der Stagnation der öffentlichen Verhältnisse, mit der
Isolirung dieser Gegenden von dem grossen Körper Italiens zu-
sammenhing. Die weitere Fortdauer dieser Zustände würde auch
hier zum völligen Absterben geführt haben, vor dem die in ande-
rer Beziehung ungünstig scheinenden Schicksale des Landes das-
selbe bewahrten. Die anhaltende Herrschaft der Fremden, der
Normannen, Deutschen und besonders der hochmüthigen und ei-
teln, aber auch rüstigen, klugen und consequenten Franzosen,
übte die doppelte Wirkung aus , durch die Verbreitung abend-
ländischer Begriffe das germanische Element der norditalienischen
Bildung einigermassen zu ersetzen, die hiesige Bevölkerung der
dortigen anzunähern, und zugleich durch den Gegensatz gegen
diese Fremden das Gefühl italienischer Nationalität und das Be-
dürfniss des Anschliessens an jene früher gereiften Provinzen zu
wecken, bis endlich in den Tagen König Robertis, der trotz sei-
ner französischen Abstammung darin voranging, die Verehrung
toscanischer Dichtung und Kunst den Höhepunkt erreichte und zu
möglicher Aneignung derselben antrieb. Die Bevölkerung war
also aus einer gleichgültigen, halborientalischen zu einer italieni-
schen, zu einem lebendigen Gliede an dem Körper der Nation ge-
worden, und dies war denn allerdings mit dem Opfer jener antiken
Tradition nicht zu schwer erkauft.
Ueber Sinilielfs mittelalterliche Kunstg) ist, nachdem w]
2 S. 228 genannten Kupfer-
Serradifalco, von denen nur
Ü Ausser den bereits oben Bd. IV. Abth.
werken von Gally Knigbt, Hittorf und Zanth,