Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

Einwirkung 
des 
religiösen 
Elements. 
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In Feuer setzte mich die Liebe! wie mit dem Hülferuf eines 
Brennenden. Kaum War ja ein weltliches Liebeslied so stürmisch. 
Schon an sich konnte diese fromme Begeisterung und der 
hohe Schwung ihrer Poesie auf die weltliche Dichtung nicht ohne 
Einfluss bleiben. Dieser war aber um so grösser, als die Auf- 
fassung, welche dem ritterlichen Minnelierle der nördlichen Völker 
zum Grunde lag, besonders die darin den Frauen gezollteVerehrung, 
dem italienischen Gefühle, zumal dem dieser norditalischen, 
republikanischen Gegenden, nicht völlig entsprach. Zwar zog 
sie vieles in dieser Dichtung an. Das Gefühl für weibliche Schön- 
heit, die Gluth der Leidenschaft, auch die Vorstellung, dass die 
Liebe ein Mittel sei, die Gemüther zu erheben, vom Gemeinen, 
Egoistischen, Rohen zu reinigen, War ihnen zugänglich und zu- 
sagend. Aber Andres beruhete auf Anschauungen, welche sie nie 
gehabt hatten, die ihnen unverständlich blieben. Man hat mit 
Recht in der ritterlichen Conrtoisie einen Nachklang jener Ehr- 
furcht vor den Frauen gefunden, welche die alten Deutschen in 
ihren Ursitzen hegten, indem sie etwas Göttliches und Weissa- 
gendes in ihnen ahnten; die in der V Ölkertvanderung verwilderten 
Germanen, die nach Italien kamen, namentlich der longobartlische 
Stamm, der einzige hier zahlreich vertretene, hatten sie nicht ge- 
habt. Zur Wiederbelebung jener Vorstellung hatte dann zunächst 
die höhere Bildung beigetragen, welche die ritterlichen Frauen 
sich in der Einsamkeit ihres Burglebens erwarben und bewahrten, 
während die Männer im VVaHenhandwerk verwilderten, vor Allem 
aber die Rücksicht des bevorzugten Standes, welcher seine Damen 
mit schützenden Formen umgeben und sich selbst an eine edlere 
Sitte gewöhnen wollte. Beides fiel bei den Italienern fort; die 
Männer, stets in Städten lebend, hatten selbst in den wildesten 
Zeiten eine gewisse Schulbildung vor den Frauen vorausgehabt, 
und die Sonderung der Stände war überhaupt geringer und 
jedenfalls ohne geistige Bedeutung. Auch die Art, wie diese 
Verehrung sich dort äusserte, war dem italienischen Gefühle 
fremd. Wenn die ritterliche Dichtung die bestimmte Dame als ein 
Wesen von überirdischer Vollkommenheit schildert, so ist das 
zum 'l'heil wirklich eine Anerkennung ihrer durch Sitte und Bei- 
spiel geschützten Tugend, mehr aber doch auch eine conventionelle,
	        
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