Einwirkung
des
religiösen
Elements.
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In Feuer setzte mich die Liebe! wie mit dem Hülferuf eines
Brennenden. Kaum War ja ein weltliches Liebeslied so stürmisch.
Schon an sich konnte diese fromme Begeisterung und der
hohe Schwung ihrer Poesie auf die weltliche Dichtung nicht ohne
Einfluss bleiben. Dieser war aber um so grösser, als die Auf-
fassung, welche dem ritterlichen Minnelierle der nördlichen Völker
zum Grunde lag, besonders die darin den Frauen gezollteVerehrung,
dem italienischen Gefühle, zumal dem dieser norditalischen,
republikanischen Gegenden, nicht völlig entsprach. Zwar zog
sie vieles in dieser Dichtung an. Das Gefühl für weibliche Schön-
heit, die Gluth der Leidenschaft, auch die Vorstellung, dass die
Liebe ein Mittel sei, die Gemüther zu erheben, vom Gemeinen,
Egoistischen, Rohen zu reinigen, War ihnen zugänglich und zu-
sagend. Aber Andres beruhete auf Anschauungen, welche sie nie
gehabt hatten, die ihnen unverständlich blieben. Man hat mit
Recht in der ritterlichen Conrtoisie einen Nachklang jener Ehr-
furcht vor den Frauen gefunden, welche die alten Deutschen in
ihren Ursitzen hegten, indem sie etwas Göttliches und Weissa-
gendes in ihnen ahnten; die in der V Ölkertvanderung verwilderten
Germanen, die nach Italien kamen, namentlich der longobartlische
Stamm, der einzige hier zahlreich vertretene, hatten sie nicht ge-
habt. Zur Wiederbelebung jener Vorstellung hatte dann zunächst
die höhere Bildung beigetragen, welche die ritterlichen Frauen
sich in der Einsamkeit ihres Burglebens erwarben und bewahrten,
während die Männer im VVaHenhandwerk verwilderten, vor Allem
aber die Rücksicht des bevorzugten Standes, welcher seine Damen
mit schützenden Formen umgeben und sich selbst an eine edlere
Sitte gewöhnen wollte. Beides fiel bei den Italienern fort; die
Männer, stets in Städten lebend, hatten selbst in den wildesten
Zeiten eine gewisse Schulbildung vor den Frauen vorausgehabt,
und die Sonderung der Stände war überhaupt geringer und
jedenfalls ohne geistige Bedeutung. Auch die Art, wie diese
Verehrung sich dort äusserte, war dem italienischen Gefühle
fremd. Wenn die ritterliche Dichtung die bestimmte Dame als ein
Wesen von überirdischer Vollkommenheit schildert, so ist das
zum 'l'heil wirklich eine Anerkennung ihrer durch Sitte und Bei-
spiel geschützten Tugend, mehr aber doch auch eine conventionelle,