Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

Einwirkung 
des 
religiösen 
Elementes. 
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schaftlichen Ergusse frommer Liebesgluth Luft machte. Der 
h. Franciscus von Assisi war bekanntlich der Träger und Bahn- 
brecher dieser Stimmung, und diese mittlere Gegend der Schau- 
platz seines unmittelbaren Wirkens und der Begeisterung, die 
von hier aus sich über Italien, ja über Europa verbreitete. Es 
war das freilich eine sehr ernste Begeisterung, die dem Spiele 
hölischer Liebespoesie fast direkt entgegenstanrl. Aber dennoch 
war sie ihr, gerade als ihr Gegensatz, verwandt; Von Liebe war 
hier wie dort die Rede, die Gluth dieser Liebe, der Eifer des Be- 
gehrens war hier nicht geringer, ja noch gesteigert, nur der Ge- 
genstand geändert; statt flüchtiger, weltlicher Schönheit und ver- 
gänglichen, tätischenden Genüssen sollte sie dem Höchsten, 
Ewigen gewidmet sein. Dante schildert bekanntlich den h. Fran- 
ciscus als den Ritter einer Dame, die er im Kriege mit seinem 
Vater erstritt, sich anverlobte und dann von Tage zu Tage mehr 
sie liebte; es ist, wie er sogleich erklärt, die Armuth, die einst 
mit Christus das Kreuz erstieg und dann elfhundert Jahr und 
mehr verlassen und verachtet war. Die Ausführung dieses Gleich- 
nisses ist ohne Zweifel Dante's dichterische Erfindung, indessen 
hatte der Heilige dazu Veranlassung gegeben. Schon als junger 
Mann, so erzählen die ersten, von seinen nächsten Schülern auf- 
gesetzten Lebensbeschreibungen, als er ein Mal, von einem 
Schmause heimkehrend, mit seinen Genossen singend durch die 
Strassen zog, blieb er plötzlich wie gefesselt stehen, von unend-_ 
licher Seligkeit durchdrungen. Und als man ihn lachend Fragte, 
ob er an eine Braut denke, erwiederte er: Ja, er denke eine 
schönere, edlere, reichere Braut heimzuführen, als sie je gesehen 
hätten. Auch vor dem Papste trägt er eine Parabel vor von einer 
Jungfrau, die ein König sich vermählt, unter der kaum etwas 
andres verstanden werden kann als die Armuth  Jedenfalls 
warenseine Liebesäussenmgen den Armen und Aussätzigen ge- 
gegenüber, die Inbrunst seiner Andacht und seiner Kasteiungen 
feurig wie die eines weltlichen Liebhabers, seine Unternehmungen, 
das rücksichtslose Durchbrechen aller Bande, um dem Triebe der 
Entsagung zu folgen, die Unruhe, die ihn bis nach Aegypten 
trieb, ganz in ritterlichem Style. Auch seine frommen Aeusse- 
"Ü K. Hase, Franz von Assisi, Leipzig 1856. S. 23, 39-
	        
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