Einwirkung
des
religiösen
Elementes.
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schaftlichen Ergusse frommer Liebesgluth Luft machte. Der
h. Franciscus von Assisi war bekanntlich der Träger und Bahn-
brecher dieser Stimmung, und diese mittlere Gegend der Schau-
platz seines unmittelbaren Wirkens und der Begeisterung, die
von hier aus sich über Italien, ja über Europa verbreitete. Es
war das freilich eine sehr ernste Begeisterung, die dem Spiele
hölischer Liebespoesie fast direkt entgegenstanrl. Aber dennoch
war sie ihr, gerade als ihr Gegensatz, verwandt; Von Liebe war
hier wie dort die Rede, die Gluth dieser Liebe, der Eifer des Be-
gehrens war hier nicht geringer, ja noch gesteigert, nur der Ge-
genstand geändert; statt flüchtiger, weltlicher Schönheit und ver-
gänglichen, tätischenden Genüssen sollte sie dem Höchsten,
Ewigen gewidmet sein. Dante schildert bekanntlich den h. Fran-
ciscus als den Ritter einer Dame, die er im Kriege mit seinem
Vater erstritt, sich anverlobte und dann von Tage zu Tage mehr
sie liebte; es ist, wie er sogleich erklärt, die Armuth, die einst
mit Christus das Kreuz erstieg und dann elfhundert Jahr und
mehr verlassen und verachtet war. Die Ausführung dieses Gleich-
nisses ist ohne Zweifel Dante's dichterische Erfindung, indessen
hatte der Heilige dazu Veranlassung gegeben. Schon als junger
Mann, so erzählen die ersten, von seinen nächsten Schülern auf-
gesetzten Lebensbeschreibungen, als er ein Mal, von einem
Schmause heimkehrend, mit seinen Genossen singend durch die
Strassen zog, blieb er plötzlich wie gefesselt stehen, von unend-_
licher Seligkeit durchdrungen. Und als man ihn lachend Fragte,
ob er an eine Braut denke, erwiederte er: Ja, er denke eine
schönere, edlere, reichere Braut heimzuführen, als sie je gesehen
hätten. Auch vor dem Papste trägt er eine Parabel vor von einer
Jungfrau, die ein König sich vermählt, unter der kaum etwas
andres verstanden werden kann als die Armuth Jedenfalls
warenseine Liebesäussenmgen den Armen und Aussätzigen ge-
gegenüber, die Inbrunst seiner Andacht und seiner Kasteiungen
feurig wie die eines weltlichen Liebhabers, seine Unternehmungen,
das rücksichtslose Durchbrechen aller Bande, um dem Triebe der
Entsagung zu folgen, die Unruhe, die ihn bis nach Aegypten
trieb, ganz in ritterlichem Style. Auch seine frommen Aeusse-
"Ü K. Hase, Franz von Assisi, Leipzig 1856. S. 23, 39-