Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

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Italienische 
Poesie. 
Emancipation seines Geburtslandes und seines Reiches von fremder 
Poesie leitete. Er dichtete selbst und mitihm der ganze Hof; 
Verse des Kaisers, seines grossen Kanzlers Petrus a Vinea und 
seines Sohnes, König Enzio, sind noch erhalten, und von dem 
ritterlichen König Manfred erzählt der Chronist, dass er Nachts 
in den Strassen von Barletta, Canzonen singend, mit andern Dich- 
tern zu wandeln pflegte. Die frühesten Dichter dieser Schule sind 
in ihren einfachen und ziemlich derben, noch überwiegend in den 
Weichen Formen des sicilischen Dialektes geschriebenen Liebes- 
liedern von anziehender Wärme und Naivetät. Bei den spätern 
dagegen herrscht das Bemühen nach formeller Vollendung und 
höfischer Eleganz zu sehr vor. Sie bewegen sich, nach dem Vor- 
bilde der Provenzalen, in dem engen Kreise coiiventioneller Lie- 
besklagen und spitzlindiger Gedankenspiele, die in der noch un- 
sichern Sprache leicht unbeholfen und steif ausfallen. Dafür aber 
gelang es ihnen, die Richtung der italienischen Poesie in formeller 
Beziehung bleibend festzustellen. Sie begründeten, im Gegensatz 
gegen die Antike, den Gebrauch des Beims, erkannten die hohe 
Bedeutung, welche die Melodie des Gleichklangs für ihre Sprache 
hat, und erfanden endlich die Form des S on etts, welche mit ihrer 
plastischen Abrundung und der scharfen Ausprägung eines ein- 
zigen Gedankens dem italienischen Volksgeiste so sehr zusagt. 
Dies erklärt denn auch den grossen Erfolg ihrer Lieder, die sich 
rasch über ganz Italien verbreiteten und bald eine andre Dichter- 
schule hervorriefen, welche sowohl in der Ausbildung der Sprache, 
als im Gedanken sich höhere Ziele stellte. Der Sitz dieser Schule 
war Mittelitalien, Toscana mit den benachbarten Gegenden, und 
es hatte auf ihre Richtung ein scheinbar entfernt liegender Um- 
stand Einfluss. 
"I Während im südlichen Italien das Yolk vermöge seiner apa- 
thischen Gewohnheit und der energischen Gesetzgebung Frie- 
drichs II. ruhig hinlebte und sang, hatte in diesen Gegenden der 
Wilde Parteikampf, der Widerstreit kirchlicher und weltlicher 
Interessen, der Gegensatz der glänzenden Lebensweise und des 
stolzen Auftretens der Prälaten gegen die Armuth Christi und 
seiner Jünger religiöse Zweifel und Sehnsucht erweckt und die 
Gemüther in eine Spannung versetzt, welche sich in einem leiden-
	        
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