Neuntes
Kapitel.
Das
südliche
Italien.
Nord- und Süd-Italien verhalten sich wie zwei, auch in ihren
Anlagen sehr ähnliche Brüder, die aber vermöge einer Verschie-
denheit des Charakters andere Schicksale haben lind sich anders
ausbilden. Schon in römischer Zeit begründete theils der grössere,
allzu verführerische Reichthum der Natur dieser südlichen Gegen-
den, theils die verschiedene Mischung der Bevölkerung, dort zum
Theil mit celtischen Stämmen, hier mit Griechen, einen Unterschied,
der dann später dadurch bedeutend wuchs, dass der germanische
Geist, weil er weniger verwandte Elemente vorfand, hier noch
weniger eindrang. Grade der Theil der Halbinsel, dessen Be-
völkerung der Erneuerung und Kräftigung durch germanisches
Blut am Meisten bedurft hätte, empfing sie in schwächerem
Maasse. Daher denn ein weiteres Auseinandergehcn; derselbe
Individualismus, der im Norden als republikanisches Selbstgefühl
die Quelle wilder Kämpfe, aber auch eines darauf folgenden Auf-
schwunges wurde, erzeugte hier nur eine passive, geniessende,
eigensüchtige Stimmung, welche die Volkskraft brach, die Fähig-
keit gemeinsamer Erhebung raubte und das Land zur Beute jedes
Eroberers machte. Während die nordischen Städte es mit den
in despotischer Regierungsknnst Wenig bewanderteu Deutschen-
zu thun hatten und so zur Selbstregieruug genöthigt und ange-
leitet wurden, standen diese südlichen Gegenden von den gothi-
sehen Kriegen an bis in das eilfte Jahrhundert unter der Ver-
waltung byzantinischer Beamten, deren Künste denn auch die
fremden Fürsten, welche nach ihnen die Herrschaft erlangten,
Normannen, Deutsche, Franzosen, sich aneigneten und so die
Bevölkerung in der Gewohnheit bequemer Unterwerfung erhiel-
ten. Wir fühlen uns, wie in den klimatischen, so auch in den.