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Vergleichende
Betrachtung.
andern Schulen daneben nach einer andern, mehr lyrisch-musika-
lischen Wirkung trachten. Am Tiefsten die von Sieua; in mehr
äusserlicher VVeise die von Bologna und der Mark Ancona, indem
sie den Gesichtern eine sentimentale WVeichhcit, den Körpern
steife, goldgeschmückte Gewandung zu geben liebt; ähnlich, je-
doch mit der Hinneigung zu grösserer sinnlicher Fülle und kräf-
tigerer Farbe, die venetianische. Mit dieser verschiedenen Tendenz
hängt denn auch ein verschiedenes Verhalten zur Natur zusammen.
Die florentiner Schule bleibt wie bei der epischen Vortrags-
weise so auch bei dem abstracten Naturalismus ihres Meisters
stehn, der nur das Verständliche und Ansdrucksvolle der mensch-
lichen Erscheinung berücksichtigt, die andern wurden unwillkür-
lich auf die allgemeinen, sinnlichen aber auch lyrischer Bedeutung
fähigen Elemente der Farbe und der Körperlichkeit hingewiesen,
mit denen sie dann aber, da die scholastische Denkweise der Zeit
für die Auffassung derselben keinen Standpunkt darhot, ziemlich
ungeschickt und dilettantisch verfahren. Sie bewahren dadurch
gewisse Traditionen der byzantinischen Kunst für eine später zu
erwartende Anwendung, während die florentiuische Schule durch
die stete Wiederholung der giottesken Auffassungsweise zu er-
matten beginnt, und nur die Meister, welche, wie einige Floren-
tiner und Seneser und besonders wie Altichieri und Avanzo,
die nationale epische Darstellung mit grösserer Lebeusvvahrheit
zu verbinden wissen, sind vollkommen befriedigend.
Es mag hier der Ort sein, einer besondern Classe von Ge-
mälden zu erwähnen, welche zwar keinen hohen Knnstwerth ha-
ben, aber doch einen Beweis für die populäre Kraft der Malerei
in Italien geben, nämlich der politischen Gemälde. Das älteste
Beispiel, das ich kenne, ist jenes von den Geschichtschreibem oft
erwähnte Bild, welches auf Befehl lnnocenz II. in einem Zimmer
hinter der der Laterankirche gegenüber gelegenen Kapelle des
h. N icolaus gemalt war und durch seinen Inhalt und die darunter
befindlichen hochmüthigen Verse Beschwerden von Kaiser Frie-
drich I. hervorrief. Man sah darauf nämlich den Kaiser Lothar
Einlass in die Stadt erbittend und den Römern ihre Privilegien
ÄJESChWÖTGIIÖ, und dann als Vasall des Papstes von diesem die