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Malerei.
Nachrichten im Palazzo ducale ausgeführt wurden, sind in Venedig
nicht erhalten, indessen genügen die 'l'afelbilder, um uns die
Richtung dieser Schule erkennen zu lassen. Der Anstoss, den
Giotto der italienischen Kunst gegeben, wirkte zwar auch hier in
soweit, dass er die ausschliessliehe Herrschaft des byzantinischen
Styles brach. Aber er erweckte noch nicht den Trieb zur tiefem
Erfassung des ethischen Lebens, sondern führte nur zu schwan-
kenden Versuchen, die überlieferten Typen zu beleben und des
Ausdruckes weicher Gefühle fähig zu machen, ohne den her-
gebrachten Glanz der Farbe und des Goldes zu beschränken.
Während Giotto von der äusscrlichen starren Gesetzlichkeit des
älteren Styles dazu übergegangen war, die Gesetze des inneren
Lebens zu erforschen, drängten sich hier sofort Regungen eines
sinnlichen Naturalismus in den Vorgrund, zu deren consequenter
Ausbildung die geistigen Bedingungen noch fehlten.
In einem merkwürdigen Contraste zu dieser venetianischen
Schule steht die, welche sich ganz in der Nähe, in Verona und
P adua , entwickelte. Wenn jene ziemlich gleichgültig gegen die
geistigen Vorzüge des giottesken Styls war, ging diese auf das
Tiefste, ja bis zu selbstständiger WVeiterhildung darauf ein. Aller-
dings trafen hier besonders günstige Umstände zusammen. In
Padua hatte Giotto mehrere Jahre gelebt und vielleicht Schüler,
jedenfalls aber bewundernswerthe Werke hinterlassen, welche
die künstlerisch gestimmten Jünglinge der Umgegend anzogen
und ihnen wirksame Studienmittel wurden. Dazu kam hier die
geistige Anregung, welche die damals blühende, von ihrem Be-
ginne an im Gegensatze gegen den juristischen Formalismus von
Bologna auf Vielseitigkeit gerichtete Hochschule, Welche ferner
die Anwesenheit eines so gelehrten, geistreichen und bewunderten
Mannes wie Petrarea gewährte, in Verona der grössere Handels-
reichthum und der ritterliche Sinn, der sich hier am Fnsse der
Alpen unter den mächtigen Adelsgeschlechtern erhielt. Auch
die politischen Verhältnisse waren nicht ungünstig. Zwar hatten
beide Städte ihre republikanische Freiheit eingebüsst, aber die
herrschenden Familien, in Verona die Herren deila Scala, in Padua
die von Carrara gehörten grade zu denjenigen dieser Empor-
kömmlinge, welche sich durch freigebige Begünstigung der Künste