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Malerei
gnügen. Wir finden daher eine Fülle von localen Modiiicationen
desselben und in nicht wenigen Fällen auch schon künstlerische
lndividualitäteil, welche diesen Provincialismen einen mehr oder
Weniger vollkommenen Ausdruck zu geben wissen und dadurch
zum Theil schon über die Grenzen der toscanischen Kunst hin-
ausgehn. Die Fülle des hier bereits beigebrachten Materials, das
die Kunstgeschichte nicht unbenutzt lassen darf, nöthigt uns zu
geordneter Betrachtung der einzelnen Gegenden.
Zu den wenigst fruchtbaren gehört der Kirchenstaat.
Rom selbst, das während des grössten Theiles des Jahrhunderts
die Anwesenheit des Papstes entbehrte und von revolutionären
Stürmen litt, hatte seit dem Besuche Giottois und der Wirksam-
keit des Pietro Cavallini wohl kaum irgend einen namhaften
Künstler aufzuweisen. In der Nähe vonRom finden sich zwar
einige grössere Arbeiten giottesken Styls, aber so vereinzelt, dass
sie eher von wandernden Florentinern, als von einheimischen
Meistern herrühren werden. Dahin gehören die Fresken sehr
eigenthümlichen Inhalts, welche vor einigen Jahren in dem Sacro
speco unterhalb S. Scolastica bei Subiaco entdeckt und hergestellt
sind. Man sieht nämlich am Gewölbe Gott Vater zwischen den
neun Engelchören, dann in den Lunetten Thaten der Engel, zuerst
den Kampf der Getreuen Gottes gegen die hier als schillernde
Thiere (largestellten abgefallenen Geister; dann das bekannte
Wunder des Erzengels Michael auf dem Berge Gargano; darauf
eine mystische Darstellung, wo der Engel den Fürsten der XVelt
oder den Mann der Sünde, der mit den Seinigen in Freuden lebt,
mit dem Schwerte durchbohrt, endlich die Verkündigung, auf die
dann an den unteren VVäntlen die Hauptmomente der Geschichte
(Ähristi von der Geburt bis zur Kreuzigung folgen. Eben so wird
das grosse Wandgemälde des jüngsten Gerichts, welches sich in
S. Maria zu Toscanella an der östlichen VVand des Langhauses
findet, die Arbeit eines wandernden Giottesken sein. Anders ver-
hielt es sich mit Orvieto, das bald nach dem Beginne seines
Dombaues (1290) und durch die Anwesenheit der vielen senesi-
scheu Künstler, die dieser herbeizog, eine fruchtbare Pllanzstätte
toscauisclter Kunst wurde. Wie gross die Kunstliebe des Städt-
chens schon frühe war, beweisen die vor Kurzem aufgedeckten