Venedig.
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Ob wir von Filippo Caletidario, den Vasari nicht kennt,
die einheimischen Chroniken aber als bedeutenden Bildner rühmen,
irgend ein plastisches Werk besitzen, muss nach dem, was oben
bei der Bangeschichte des Dogenpalastes angeführt ist, dahin-
gestellt bleiben. Aber jedenfalls sind die geistvollen und reizen-
den Figürchen, welche aus dem üppigen Laubwerke der Capitäle
an der untern Säulenreihe dieses Palastes hervortreten, voller
Leben und Schönheitsgefühl und zum Theil nicht ohne Anklänge
pisanischen Stylsgr). Einige, namentlich die in der Nähe der
Porta tiella carta werden erst im XV. Jahrhundert, zum Theil
dann aber geradezu als Copien früherer Capitäle, die andern zwar
früher, aber doch meistens erst nach dem Tode des Calendario
(1355) entstanden sein, so dass man die zum Grunde liegenden
plastischen Gedanken der Spätzeit des Jahrhunderts zuschreiben
muss, wobei dann zu beachten ist, dass die Kleinheit der Dimen-
sionen den frühern Meistern eine gewisse Kühnheit, die über die
Grenzen ihrer Zeit hinauszugelul scheint, den spätem die Nach-
ahmung der älteren Vorarbeiten erleichterte.
Mit der Erwähnung dieser wenigen Monumente kann ich
die. Geschichte der Sculptur des XIV. Jahrhunderts in Ober-
Italien schliessen. Allerdings ist die Zahl plastischer Arbeiten
sehr gross; fast jede Stadt kann mindestens einige Grabmäler
aufweisen, unter denen manche nicht ohne Reiz sind. Aber sie
bleiben in den Grenzen des Handwerklichen und Gewöhnlichen
und entwickeln nicht einmal locale Eigenthümlichkeiten, deren
Betrachtung und Vergleichung ein geschichtliches Interesse böte.
Ein sehr viel reicheres und mannigfaltigeres Bild gewährt
die Geschichte der Malerei. Zwar erstreckt sich die Herrschaft
der Schule Giotlols über ganz Italien und giebt den Erzeugnissen
aller Gegenden eine gewisse Gleichförmigkeit. Aber doch ist in
den meisten die Theilnahmc für (liese populäre Kunst und das
Bedürfniss des Ausdrucks eigener Empfindungen zu gross, um
Sich mit der blosseu Wiederholung des recipirteil Styles zu be-
Vgl. Cicognara tab. Q8 bis 30,
V01. III. p. 353 1T. mit dem, was oben
5- 257 beigebracht ist.
so wie die Auseinandersetzung in
bei der Baugeschichte des Palastes