Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

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Schlussbetrachtung. 
sittlichen Regel fehlte, welche diese Kraft zähmen und dem Ge- 
meinwesen dienstbar machen konnte. Das Christenthum in sei- 
ner damaligen Auffassung gewährte nur Vorschriften für klöster- 
liche Entsagung, nicht für die complicirten Anforderungen des 
weltlichen Lebens. Die aus der Antike überlieferten Tugendlehren 
und Vorbilder, die nie ganz vergessen und jetzt durch die steigende 
Gelehrsamkeit und Bildung in vermehrten Umlauf gekommen 
waren, nährten zwar den republikanischen Sinn, fanden aber doch 
auf die völlig veränderten Verhältnisse der christlichen Italiener 
nur sehr bedingte Anwendung. 
Viel lehrreicher und zugleich anziehender war die Geschichte 
der eignen Zeit, der leidenschaftlichen Kämpfe, bei denen die Gei- 
ster aneinanderplatzten und manche Maske fiel, .der vielen tragi- 
schen oder rührenden, verletzenden oder erhebenden Vorfälle und 
Handlungen. Sie zu beobachten und entweder zu ernster Anwen- 
dung oder doch wegen ihres novellistischen Reizes zu erzählen 
und zu hören, wurde daher eine Lieblingsbeschäftigung der Nation. 
Allein eine tiefere Ausbildung des moralischen Sinnes wurde auch 
dadurch nicht gewonnen. Die Würdigung und Darstellung hing 
zu sehr vom Parteistandpuukte ab und die Motive waren durch 
ihre Vielheit und Mischung so schwer zu erkennen, dass man 
sich daran gewohnte, das Urtheil zurückzuhalten und selbst in 
dem Dunkeln und Räthselhafteu auch der Handlungen einen Reiz 
zu finden. Aber freilich musstedenn doch eben diese Unsicher- 
heit mit dem Wunsche nach einem bessern Zustande der Dinge 
auch den nach einem klaren, sittlich befriedigenden Ideale her- 
vorrufen. 
	        
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