490
Verhältniss
der
Plastik
Zllf
Malerei.
Meinung der Zeitgenossen, welche, auch wenn sie irrig sein
sollte, doch Beachtung verdienen Würde. Allein in der That lässt
Sie sich auch sehr wohl erklären.
Allerdings spielt die Sculptur in derEntwickelung derKunst,
und besonders der toscaxiischen eine bedeutende Rolle. Die Bild-
hauer treten gewissermassen als Vorkämpfer auf; wenn die An-
tbrderung der Verarbeitung neuer Motive an die Kunst herantritt,
sind sie es zuerst, die sich daran versuchen und mit den Schwie-
rigkeiten ringen. Niccolo Pisano bricht für Cimabue und Duccio,
Giovatini für Giotto die Bahn, und wenn dieser dann auch so
mächtig wirkt, dass die Seulptur sich seinem Einflüsse tinterwer-
fen muss, so bleibt doch für Andrea Pisano der Ruhm, der vor-
herrschenden Richtung auf das Pathetische die Grenzen des Mass-
vollen und A n muthigen gezeigt zu haben, die sie nicht überschreiten
dürfe. Licberhaupt kann man behaupten, dass die toscanische
Malerei einen grossen Theil ihrer Vorzüge, die Feinheit des
Sinnes für Schönheit und Form, die ruhige und klare Haltung,
die Bestimmtheit des Ausdrucks dem Vorgange und dem engen
Zusammenhangs: mit der Plastik verdankt. Diese ist ihre Lehre-
rin gewesen und bleibt ihr, zur Erhaltung des ihr dadurch einge-
ptlanzteti plilSilSPllCl] Elements, auch später, nachdem sie Reife und
Selbstständigkeit erlangt, eine nützliche, ja unentbehrliche Beglei-
terin. Aber die l-lerrin ist sie nicht; das gemeinsame Ziel beider
in dieser Weise innig verbundenen Künste ist gradezu ein male-
risches, und die Sculpttlr sehliesst sich sowohl in der sittlichen
Auffassung der Motive, als in der Anordnung mehr und mehr der
Schwesterkunst an. Und zwar ist dieseNachgiebigkeit nicht eine
Schwäche der einzelnen Meister, sondern die nothwendige Folge
der Richtung des Zeitalters auf weichere Gefühle, die eben nur
in der malerischen Auflassung ihren Ausdruck finden. Die Male-
rei ist daher die populäre, Allen verständliche, die tonailgebettde
Kunst. die Sculptur steht immer in einer Unterordnung zu ihr, sie
ist. entweder eine Vorstudie oder eine Uebersetzung in andere
Form. Wie stark dieses Uebergewicht der Malerei ist, beweist,
mehr noch als Petrarca's Zeugniss, die Schrift des spätem Ghi-
herti, der, obgleich selbst Bildner und für dieAntike schwärmend,
fast nur von den Malern ausführlich redet und der Bildhauer nur