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Toscanische
Malerei.
teressant. Es sind acht, symmetrisch am Gewölbe angebrachte
Malereien, die sieben Sakramente und als Anfangs- oder Schluss-
bild die Kirche. Diese ist in ungewöhnlicher Allegorie dargestellt,
nämlich als gekrönte, mit priesterlich Weitem Mantel bekleidete,
aber jugendliche, weibliche Gestalt, die von einem ziemlich typisch
und starr aufgefassten Christus überragt, unter einem Baldachin
von kirchlicher Architektur verschiedenen Heiligen sowie zwei
Königen im Lilienkleide und mit dem bekannten Gesichte der
Anjoifs den Kelch vor-hält. Auf den sieben andern Bildern sind
dann die Sakramente nicht allegorisch, sondern in wirklicher
Handlung dargestellt, alle in angemessener Architektur, mit sehr
ansprechenden, aus dem Leben gegriffenen Zügen und anmuthi-
gen Weiblichen Gestalten. Das Ganze ist offenbar das Werk
eines recht tüchtigen, aber nicht gerade ungewöhnlich hervorra-
genden Meisters toscanischer Schule.
Die grossartigsten Aufgaben, die dieser Schule geboten wurden,
erhielt sie indessen in Toscana selbst, als die Pisaner begannen,
die Wände ihres grossen, von Giovanni Pisano erbauten Campo
santo mit Malereien zu schmücken. Wie früher erwähnt, besteht
das Gebäude in einem breiten und hohen Corridor, welcher das
schmale und langgestreckte Viereck des Friedhofs umschliesst,
auf der innern Seite mit grossen Fenstern geöffnet ist, auf der
äussern aber kahle Wände bildet, welche zu malcrischem Schmucke
einladen und dazu auf jeder der langen Seiten Flächen von mehr"
als 400, auf jeder der kurzen von mehr als 120 Fnss Länge
und dabei von bedeutender, für zwei grosse Wandgemälde ge-
eigneter Höhe darboten a). Die Benutzung dieser Flächen zu sol-
chem Zwecke erfolgte indessen erst später, indem die Commune
sich anfangs mit einzelnen, jetst verschwundenen Madonnenbil-
dern in der Kapelle auf der Ostseite und über der Eingangsthüre
begnügte. Gegen die Mitte des XIV. Jahrhunderts entstanden
nun durch Privatstiftungen einige noch jetzt theilweise erhaltene
i") Für das Folgende sind, ausser einem gelungenen Aufsatze von
E. Förster, Beiträge S. 114, die urkundlichen Forschungen von Bonaini in
den Memorie inedite maassgebend gewesen. Vgl. die Abbildungen in den
grösseren Stichen des Carlo Lasinio und in dem kleineren Werke seines
Sohnes Paolo Lasinio (Pisa, 1833).