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Liebe
Zllf
Vater stadt.
des XIII. Jahrhunderts einreissenden Luxus zu rügen, aber sie
werden durch manche Umstände bestätigt, so dass man an ihrer
Richtigkeit im Ganzen nicht zweifeln kann. Diese Strenge der
häuslichen Sitten beweist, dass jene Festlust nicht auf weichlicher
Genusssucht, sondern auf politischer Berechnung und wahrer
Freude an der Wrohlfahrt der Vaterstadt beruhete.
Ueberhaupt war die Liebe zur Vaterstadt bei den Italienern
dieser Zeit sehr mächtig und schön. Sie hatte vollkommen das
Feuer der ersten, der einzigen Liebe, da sie der liebeleeren, selbst-
süchtigen Zeit der anarchischen Jahrhunderte gefolgt und nicht ein-
mal durch den Hinblick auf ein weiteres Vaterland getheilt war.
Die Vaterstadt umfasste für jeden alles, was ihm das 'l'heuerste
war; alle Seine Erinnerungen, Wünsche, Bestrebungen, Interessen
waren mit ihr verwachsen, sie war in ihrer Macht sein Stolz, in
ihrer Schönheit seine Geliebte, an die er aus der Ferne mit schmerz-
licher Sehnsucht. dachte f). Aber freilich war es keine ruhige, ge-
niessende Liebe, wie etwa der weichliclte Localpatriotismus der
spätem Italiener, sondern eine eifrige, angefochtene, mit Gegnern
und mit eignenZweifeln kämpfende, leidenschaftlich gereizte Liebe.
Die bekannte Geschichte des Farinata degliiUberti, der, obgleich
Ghibelline und Gegner der in Florenz herrschenden guelfischelt
Partei, dennoch dem Beschluss seiner Parteigetiossen, diesen
Hauptsitz ihrer Feinde zu zerstören, mit Heftigkeit widersprach
und so seine Vaterstadt rettetewk) , und Dante's beständiges
Schwanken zwischen Liebe und Hass für die undankbare und
verderblich wirkende Stadt sind hinlängliche Beweise der Con-
flicte, in welche dieser republikanische Patriotismus gericth.
Auf die Schilderung einzelner historischer Hergänge oder
Persönlichkeiten darf ich nicht eingehn. Schon die hervorragen-
den und bekannten Gestalten, Friedrich II., seine Söhne Manfred
und Enzio, der h. Franz, einige Päpste und endlich das typische
Bild eines Tyrannen, der wilde Ezzelin, beweisen die Maimigfal-
t] Per fonte Branda non derei 1a Vista, lässt Dante einen Seneser in der
Hölle sagen, der sich an der Strafe eines Verbrechers erfreut. Selbst der An-
blick seiner Vaterstadt (fonte Branda ist bekanntlich ein Brunnen in Siena]
wäre ihm nicht so erfreulivh, wie der dieses Akts der Gerechtigkeit.
Vgl. Dante Inf. X. 91 und Gio. Villani VI. c. 83.