Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

Capella 
degli 
Spagnuoli. 
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seitwärts, gleichsam den Beschauer anredend, die Gestalten des 
Quadrivitims, Musik, Astronomie, Geometrie und Arithmetik sind 
durch ihre verschiedenen Instrumente in mannigfache Bewegung 
gebracht. Die Caritas ist nicht wie bei Giotto und Andrea Pisano 
durch Flammen und durch das mit Blumen gefüllte Füllhorn, 
sondern sonderbarerweise, offenbar mit Erinnerung an den heid- 
nischen Amor, im kriegerischen Kleide und mit Bogen und Pfeil 
dargestellt, Spes aber sehrschön, innig flehend mit sehnsiichtigem 
Blicke nach oben, Fides mit der Krone und mit lehrend aufgeho- 
bcner Hand gebildet. Die speculative Theologie hält einen Spie- 
gel, die praktische den schulmeisterlichen Stab, das kanonische 
Recht ein Kirchenmoilell, das weltliche das Schwert. 
Noch bedeutender als diese Frauen und odenbar der gelun- 
genste Theil des VVerkes sind dann die Männer im Vorgrunde. 
Obgleich die Aufgabe der Darstellung eines ältern Mannes in tief- 
ernster, nicht nach aussen gerichteter Beschäftigung sich bei allen 
wiederholte, ist nicht eine Spur von Monotonie geblieben, jeder 
ist eigenthümlich charakterisirt, individuell lebendig; ihre meister- 
haft behandelte Gewandung, ihre Haltung ist so mannigfaltig, 
ihre Stellungen sind so ungezwungen, dass man ihre Reihe mit 
demselben Interesse verfolgt , wie Erscheinungen des Lebens. 
Wir treten an sie heran wie in eine Gesellschaft, deren Ernst und 
Ruhe uns imponirt und Stille gebietet. Gleich die erste dieser 
Figuren, Priscian der Grammatiker, der im 'l'alar des florentini- 
Sehen Gelehrten oder Notars, die bekannte Zipfelmütze auf dem 
Kopfe, mit rasirtem, abertiefgefurchtem, ältlichem Gesichte emsig 
auf seinem Knie schreibt, wahrscheinlich ein Porträt, pflegt sich je- 
dem Beschauer einznprägen. DerVertreter der Rhetorik, der darauf 
fülgt, wird für Cicero gehalten; der der Dialektik kann ungeach- 
tet seiner einem Cardinalshute ähnlichen Kopfbedeckung wohl 
nur Aristoteles sein, der „Mcistcr der VVissenden", der vielleicht 
deshalb diese Auszeichnung erhalten hat. Dann folgen unter der 
Musik Tubalcain, der Schmidt, mit anfgehobenem Hammer und 
dem Ambos zwischen seinen Knieen, und demnächst unter der 
Astronomie Ptolemaeus, der sein (ohne Zweifel wegen vermu- 
theter Verwandtschaft mit dem aegyptischen Königshause) ge- 
kröntes Haupt gen Himmel hebt, also Gestalten von einer leben-
	        
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