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Die
Schule
VOIl
Siena.
Kaiser, sondern das Stadtregiment darstellt de). Ueber ihm stehen
die drei s. g. theologischen, zu jeder Seite drei bürgerliche Tu-
gendeu, nämlich die bekannten Kardinaltugenden, verstärkt durch
Pax und Magnanimitas. Daneben eine bewaffnete Reiterschaar,
und andrerseits Gefangene, 'l'ributbringende, Flehende und be-
strafte Uebelthäter. Alle diese Gestalten sind höchst vortrefflich
charakterisirt und ausgeführt; der Friede liegt in der Ecke seines
Sessels so behaglich, die Klugheit trägt so sehr dieZüge ernsten
Nachdenkens und reifer Ueberlegung u. s. f., dass die Allegorie
durchweg lebendig wird. Diese (am besten erhaltene) Wand gibt
also das allegorisch dargestellte Bild des Wohl regierten Siena.
Auf der folgenden sehen wir die Wirkungen dieses guten Regi-
ments. Wir haben die bergige Stadt mit ihrem Dome vor uns;
die Strassen sind von Handeltreibenden vor offenen Läden oder
von friedlichen Vergnügungen belebt, hier wird getanzt, dort
kommt ein Hochzeitszug. Daneben in Feld und Wald Ackerbau,
Fischerei, Jagd, mit beladenen Karren bedeckte Landstrassen,
und endlich im Hintergründe ein Seehafen, dessen Besitz die Se-
neser wünschten und den der Maler ihnen hier in der Perspective
zeigt. Ueber dieser Scene schwebt dann oben die allegorische
Gestalt der Sicherheit, welche zur Abschreckung der Uebelthäter
einen Galgen, an dem ein solcher hängt, emporhebt. Auf der
-dritten VVand endlich ist der Gegensatz dargestellt, die schlechte
Regierung. Neben einer thurmreichen Stadt sitzt die Tyrannei,
eine Missgestalt mit Hörnern, grossen hervorragenden Hauern,
in Eisenrüstung, mit blutrothem Mantel, Gift und Dolch führend.
Ueber ihrem Haupte stehen Geiz, Stolz und Eitelkeit, zu ihren
Seiten hier Grausamkeit, Verrath, Betrug, dortWuth, Zwiespalt,
Krieg, unter ihren Füssen endlich die Gerechtigkeit gebunden
und gemisshandelt, während daneben Räubereien und andere
Verbrechen begangen werden. Auf der andern Seite, die sehr
gelitten hat, erkennt man noch brennende und zerstörte Schlösser,
4') Die Beweise dafür siehe in der ebenangeführten Beschreibung von
Milanesi. Auch sonst wird um diese Zeit das Stadtregiment nicht in weib-
licher Gestalt, sondern als Richter männlich dargestellt z. B. am Grabe des
Guido Tarlati die Commune von Arezzo und auf dem von Vasari beschrie-
benen Bilde von Giotto die von Florenz (Vas. I. 334).