Ambrogio
Lorenzetti.
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der die grössesten Verwüstungen anrichtet, und auf viele der
Ungläubigen den Eindruck macht, dass sie sich taufen lassen.
Dies alles ist nun mit grosser Lebendigkeit und mit einer Menge
V0n feinen Zügen möglichst naturalistisch dargestellt, und be-
Sonders erregte die Schilderung des Sturmes die Bewunderung
Ghibertfs und Vasariis. Man sieht wie die Bänme sich unter der
Gewalt des Sturmes theils zur Erde biegen, theils brechen, und
besonders ist das Auseinanderstäuben der Menschenmenge, die-
sich bei der Hinrichtung gesammelt hat, anschaulich geschildert,
wie jeder sich auf seine Weise zu schützen sucht, die Frauen ihre
Kleider über den Kopf ziehen, die Krieger ihre Schilde über sich
halten, auf denen man den Hagel sieht, endlich der Richter mit
seinem Pferde stürzt und so stirbt. Es ist in der That bewun-
dernswerth wie viel hier, ohne die landschaftlichen Mittel der
neuern Kunst, geleistet ist. In einer andern Chorkapelle dersel-
ben Kirche findet man eine Kreuzigung von Ambrogids Hand,
bei welcher der Kopf des Heilandes mit lang herabhängendem
Haare sehr gelungen und besonders der Schmerz der Frauen und
Jünger höchst ergreifend dargestellt ist.
Nicht minder geistreich als jene Legende sind dann die be-
rühmten Wandgemälde Ambrogiols in einem Saale des ödentli-
Chen Palastes zu Siena, welche nach der Sitte dieser Zeit bestimmt
Waren, die dort tagenden Mitglieder der Regierung an ihre Pflich-
ten und Aufgaben zu erinnern de). Auf der ersten Wand sieht
man zunächst auf der einen Seite die Ge rechtigkeit als weib-
liche gekrönte Gestalt, die Wagschalen in den Händen, in ähn-
lißher, aber mehr ausgeführter Weise wie bei Giotto in der Arena;
über ihr die Weisheit, Welche die Axe der Wage hält, unter
ihr die Eintracht (Concordia), mit einer Zahl paarweise geord-
neter guter Bürger. Auf der andern Seite sitzt ein gekrönter Greis
mit dem Scepter, der, in den Farben der Stadt Siena gekleidet, ihr
Vvappen führt, und daher nicht, wie man sonst annahm, den
w) Ghiberti bezeichnet den Gegenstand dieser Bilder nicht ganz übel
als: L3 pace e 1a guerra, Rumohr II. 102 lässt sich nicht tiefer auf die-
selben ein, Förster, Beiträge S. 181 H. hat zuerst eine Beschreibung ge-
liefert, welche aber in manchen Punkten nach der als Anhang zu Vasarfs
Biographie des Ambrogio (II. 69) abgedruckten von Milällesi 111 berich-
tigen ist.
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