Die
Schule
VOll
Siena.
455
blieben nicht unempfänglich für den Reiz tieferer Gedanken und
grösserer Lebendigkeit. Aber doch erhielten auch diese hier eine
andere Geltung und jedenfalls blieben die technischen Verschie-
denheiten und der Grundton jener weicheren Stimmung bestehen.
Anfänge dieser localen Richtung finden wir schon bei einem
Zeitgenossen Duccids, dem Maler Se g n a oder vollständiger
Sßgna di Bonaventura, der in den Urkunden von 1305 bis 1319
vorkommt, und von dem die Sammlung der Academie ein inschrift-
lich bezeichnetes Fragment eines Altarwerkes, vier Halbiiguren
von Heiligen, bewahrt. Die Carnation hat noch die grünen Töne,
das Gewand der Madonna sogar noch die gestrichelte Behandlung
der ältern Schule, die Formenbildung schliesst sich an Duccio an,
aber mit gesteigerter Zierlichkeit; Hände und Finger sind unge-
mein lang und mit bewusster Grazie gehalten, die Gesichtszüge
mit kleinem Munde, feingebildeter Nase und schon etwas ge-
Schlitzten Augen geben den Eindruck des Zarten, der Kopf der
Madonna auf dem überaus dünnen Halse ist schmachtend geneigt,
und der des Evangelisten Johannes mit seinen langen, röthlichen
Locken fast jungfräulich süss
Aehnlich scheint die Richtung des Ugolin o da Siena ge-
wesen zu sein, dessen Arbeit auch in Florenz gesucht wurde und
den Vasari, angeblich wegen ihrer grossen Freundschaft, mit dem
Florentiner Stefano zusammen behandelt. Das nachher wunder-
thätige Madonnenbild, welches er an einem Pfeiler von Orsanmi-
chele gemalt hatte, ist untergegangen, und das grosse Altarwerk,
Welches Vasari noch in S. Croce sah, befindet sich nicht mehr an
Ort und Stelle. Indessen sind erhebliche, mit dem Namen bezeich-
nete Fragmente desselben in einer Privatsammlung in England
entdeckt mit), darunter eine Madonna von grosser Schönheit, Halb-
liguren von Heiligen und die Passionsgeschichten der Predella,
"Q Vergl. eine gute Abbildung bei Rosini 11.28. Dieser giebt ihm nach
Romagnoli die Lebensdauer bis 1327, während die Herausgeber d. Vasari
II. 165 die im Texte enthaltene Nachricht mittheilen. Der Nicholaus Segne,
welcher sich auf einem grossen Crucifix von gemässigter, aber doch noch
alterthümlicher Haltung mit der Jahreszahl 1345 nennt (Acad. zu Siena
Nro. 63], ist wahrscheinlich sein Sohn.
w) Durch Waagen u. Kunstw. I. 393) in der Sammlung von Young
Ottley "Ugolinus de Senis me pinxit".