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Plastik
und
Malerei
in
Toscana.
namentlich des Giovanni Pisano, und gehen nur in der malerischen
Behandlung der Hintergründe etwas Weiter als dieser und als diese
Schule überhaupt, vielleicht aber auch nur , Weil es der Gegen-
stand, die Darstellung so vieler Belagerungssceneu zu erfordern
schien.
Viel bedeutender und eigenthümlicher als die Sculptur ist die
Maler schule von Si ena. Sie leistet wirklich den Neuerungen
Giottds Widerstand, behält von den Traditionen der älteren
Schule, die dieser verwarf, nicht bloss Technisches, die dunklere
und mit zäherem Bindemittel aufgetragene Farbe, die grünlichen
Töne des Fleisches und Anderes, sondern auch das Streben nach
idealer Schönheit und kirchlicher Strenge in höherem Grade bei,
und entwickelt daraus eine eigne Tendenz. Man könnte dies schon
dadurch erklären wollen, dass Siena bei Giottds Auftreten und
noch während seiner Blüthezeit einen Meister wie Duccio besass.
Welcher die Tendenz der ältern Schule zu höchster Vollendung
durchführte. Allein dieseLeistungen Ducci0's Waren weniger die
Ursache, als schon selbst eine Wirkung der Eigenthümlichkeit
dieser Schule, welche vielmehr allgemeinere Gründe hatte. VVäh-
rend die nnteruehmenden scharfsinnigen Florentiner durch die
Lage und die Geschichte ihrer Stadt mehr auf das bewegte Le-
ben, auf die mannigfaltigenErscheinungen der sittlichen Welt ge-
richtet waren, hatten die Bewohner dieser stilleren Berggegend
innerlichere Bedürfnisse, die Neigung zu sinnenderBetrachtung, zu
schwärmerischer Erregung, zu ascetischem Ernst. Ihre Stimmung
war eine weichere, ihre Richtung im Gegensatze gegen die pa-
thetische und dramatische der Florentiner eine mehr lyrische. Sie
verbanden mit dem Begriffe des Schönen den des Feierlichen und
Ernsthaften Freilich kamen die Künstler dieser Schule viel-
fach mit denen der mächtigeren tlorentinischen in Berührung und
1) In einem Decret der Commune von 1329 [Mi1anesiI.193) wird eine
Bild des Pietro Lorenzetti nicht bloss als tabula honorabilis et valde pul-
cra, sondern auch deshalb gerühmt, weil die Jungfrau Maria und die anderen
darauf befindlichen Heiligen "seriosius" gemalt seien. Jedenfalls ist die
Phrase, mit der Lanzi seinen Abschnitt über diese Schule beginnt: Lieta.
scuola fra lieto popolo, wohl bloss von der Inschrift auf dem Bilde des Guido
(siehe oben S. 337) hergeleitet und als Charakteristik der künstlerischen
Richtung unendlich schief.