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Plastik
und
Malerei
in
Pisa.
Standpunkte betrachten liess, wobei dann die typisch gewordenen
Motive und Gestalten sich von selbst einfauden, die auch den
Beschauerrx längst vertraut und alltäglich geworden waren und
daher nur leiser Andeutung bedurften. Hatte Giotto in gewissem
Sinne die Kunst als Schrift behandelt, so schrieb man jetzt in
Abbreviaturen; weder der Maler noch der Beschauer wollten auf-
gehalten sein. Es bedurfte erst eines neuen Standpunktes, um zu
erneuerter Beobachtung der Natur angeregt zu werden.
Das einst so mächtige Pisa, dessen Bildnerschule allen
andern Städten Italiens vorangegangen War, verlor allmälig seine
Bedeutung. Seitdem Giotto die Verwandtschaft der Plastik mit
der Malerei zum Bewusstsein gebracht, und Andrea Pisano sich
in Florenz niedergelassen hatte, zog sich auch die Sculptur mehr
hierher und zum Theil (wie wir sehen werden) nach Siena. Und
eben so wenig erlangte Pisa eine eigne Malerschule; die Maler,
welche im Campo santo arbeiten und viele andere, die wir hier
beschäftigt finden, sind Auswärtige, und die Einheimischen schlies-
sen sich den Florentinern an und sind ohne grosse Bedeutung-i).
i) Förster, Beiträge S. 87. Rosini II. 180-182 und Bonaini a. a. O.
p. 88 ff. geben eine Reihe von Namen, welche zum Theil auf Bildern in
der Academie gefunden werden. Das beste unter denselben ist das eines
gewissen Bruno di Giovanni, welcher in dem alten Malerbuche mit der
Jahreszahl 1350 aufgeführt ist und von dem Vasari im Leben des Buffal-
macco (II. 57) spricht, eine h. Ursula mit ihren Jungfrauen, welche die
durch eine jugendliche Gestalt repräsentirte Stadt Pisa aus Wassersnoth
rettet, abgeb. bei Rosini tab. XII. Die Figuren sind ziemlich steif, aber
die Köpfe der Jungfrauen nicht ohne Anmuth und von weicher Ausführung.
Der Johannes Nicole pietor, welcher das auf derselben Tafel gegebene Bild
aus S. Marta malte, war nicht, wie Rosini I. 260 vermuthet, der berühmte
Bildhauer, sondern ein späterer Maler, der sich auf einem andern Bilde mit
der Jahreszahl 1360 nennt (Bonaini 11.94). Etwas bedeutender ist jener
Turinus Vanni de Rigoli, dessen mit seinem Namen und der Jahreszahl
1397 bezeichnete Altartafel in S. Paolo in ripa d'Arno neben den gewöhn-
lichen Eigenschaften des giottesken Styls Sehönheitsgefühl und Beobachtung
des Lebens beweist. Da Rigoli ein Dorf bei Pisa ist. so ist der Turinus
Vanni de Pisis auf einem sehr viel schlechteren Madonnenbilde im Louvre
ohne Zweifel mit ihm identisch. Die meisten übrigen in Pisa arbeitenden
Maler sind Auswärtige, häufig Seneser. So ein Magister Andreuccius Bar-
tolomei de Senis, welcher 1389 und 1390 die Sacristeischränke der Kirche