Nicolaus
Petri.
443
VVerken sind die reichhaltigen Wandgemälde der Passionsge-
schichte mit lebensgrossen Gestalten im Capitelsaale des Klosters
S. Francesco zu Pisa, Welche er zufolge jener Inschrift im Jahre
1392 vollendete Obgleich also fast 60 Jahre nach Giotto's
Tode entstanden, schliessen sich diese Gemälde noch genau an
denselben an, das eine derselben, das Abendmahl, ist sogar mit
wenigen Aenderungen eine vergrösserte Wiederholung seiner
Composition auf den Schränken der Sacristei von S. Croce M).
In naturalistischen Studien ist unser Maler nicht weit vorgerückt,
die Zeichnung der Körper hat auch bei ihm nur allgemeine Rich-
tigkeit, besonders die Hände, die Füsse und die Schädelbildung
sind mangelhaft, die Gewänder noch wie bei Giotto ziemlich
Schwere Massen. Und doch hat auch ihn schon die wachsende
Hinneigung zum Naturalismus ergriffen, so dass er darüber in
einzelnen Fällen die einfache Vortragsweise, das Maassvolle ein-
büsst. Während Giotto die N ebenpersonen immer möglichst be-
schränkt, häuft er sie oft unnütz, während jenem Wenige Berg-
linien genügen, um die Gegend anzudeuten, giebt er seinen
landschaftlichen Hintergründen durch eineMenge steiler Felskegel
und Palmen und anderer bis auf die Wurzeln sichtbarer Bäume
ein phantastisches Ansehen. Im Ausdruck der Empfindungen ist
er nicht so tief und so mannigfaltig wie Giotto, aber doch ergrei-
fend und Wahr, und hat dabei ein feineres Gefühl für Grossartig-
keit und Erhabenheit. Die Grablegung und die Scene mit der
Magdalena im Garten sind in Beziehung auf Schmerz und Innig-
keit sehr ausgezeichnet, vor Allem aber sind die Auferstehung und
Himmelfahrt bedeutend. Jene (wie schon bei Giotto in der Arena
lnit der Begrüssung der Magdalena auf einem Bilde) erscheint bei
einfacher Anordnung durch die mächtige Gestalt Christi, der ganz
in der Vorderansicht gesehen, mit vollem, fast schwerem Gewande
und der grossen Siegesfahne ruhig aber festen Fusses auf den
Rand des Sarkopllages tretend, über den buntgerüstcten Soldaten
i") Vergl. die im Ganzen stylgetreuen Stiche von Paolo Lasinio in der
Raccolta di pitture antiche, Pisa 1820. Ueber Nicolaus Petri im Allgem.
S. Rumohr II. 224 und besonders bei E. Förster Beiträge 3.189 flI. die
ausführliche Beschreibung sämmtlicher Gemälde.
f?) Vergl. den Stich des Gemäldes von Nicolaus bei Lasinio mit dem
Von Giottds Temperabilde bei Kuhbeil, alttlor. Studien, Tat. 7.