Agnolo
Gaddi.
439
Vasari behandelt ihn mit augenscheinlicher Ungunst, die dann
auf die späteren Kunsthistoriker übergegangen ist. Taddeo, so
erzählt er, habe als angesehener Künstler und kluger Mann ein
hübsches Vermögen erworben, dies aber für Angolo die nach-
theilige Wirkung gehabt, dass er, obwohl talentvoll, sich ver-
nachlässigt, ungleich gearbeitet, daneben Handelsgeschäfte ange-
fangen, seine Söhne denselben gewidmet, sich bei einem dersel-
ben, der sich in Venedig etablirte, oft aufgehalten, und die Kunst
eigentlich nur als Zeitvertreib geübt habe. Allein schon die Reihe
von grossen malerischen und architektonischen Werken, die Va-
sari selbst ihm beilegt, ist damit nicht wohl zu vereinigen und
noch Weniger der innere Werth der noch erhaltenen, schon recht
umfassenden Werke. Es scheint fast, dass der Vater der Kunst-
geschichte in seinem Bemühen, den Biographien durch morali-
sche Beziehungen Interesse zu geben, sich unsern Angelo als
Warnendes Beispiel für die Nachtheile des Reichthums erkoren
und_diesem Zwecke auch einen Einfluss auf die Würdigung seiner
VVerke gestattet hat. Sie haben eine viel höhere Bedeutung als
er ihnen einräumt. Angelo zeichnet und modellirt richtiger, als
seine Vorgänger, vermeidet die grauen Schatten der Augenhöhlen
und des Halses, welche bis dahin beibehalten Waren, sucht die
Leidenschaften mässiger auszusprechen und bildet überhaupt die
Empfindung für das Schöne und Anmuthige mehr aus. Wenn
er in der Darstellung des Pathetischen, im Ergreifenden nicht
bloss Giotto, sondern auch mehreren seiner eigenen Zeitgenossen
nachsteht, so haben seine Compositionen dafür durch die Fülle
naiver und liebenswürdiger Züge, die er einmischt, einen poeti-
schen Reiz andrer Art, in gewissem Sinne eine höhere Lebens-
Wahrheit. Er schlägt schon die Richtung ein, die später durch
Benozzo Gozzoli weiter ausgebildet wurde. Seinem Colorit gönnt
selbst Vasari ein Wort des Lobes und Cennini spricht es als
des Tractets des Cennini, 1859 pag. X. Nach der Anekdote, welche Vasari
im Leben des Taddeo erzählt, dass dieser bei seinem Tode seine Söhne
an Jacopo da. Casentino und Giovanni da. Melano als Vorbilder für Sitte
und Kunst gewiesen habe, sollte man glauben, dass auch Angele damals
noch sehr jung gewesen. Im Leben des Agnolo verlegt er aber mehrere
grosse Arbeiten desselben schon in die Jahre 1346 und 1348 und lässt ihn
63 Jahre alt sterben.