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Plastik
und
Malerei
in
Florenz.
gere König biegt sich scharf hinblickend vor, der andere hält die
Hand vor Nase und Mund, der dritte wendet sich leichtsinnig ab.
Neben ihmzeigt die eine der Damen lebendiges Mitleid, während
die andere mit ruhigen reinen Zügen die Hand, vielleicht mit
stillem Gelübde, auf die Brust legt. Dazu dann die rüstigen oder
gleichgültigen Bewegungen der Diener. Selbst die Bosse, wie
sie sich scheuen, oder abwenden, oder mit vorsichtiger Kühnheit
den Kopf vorstrecken, sind ganz die feingebildeten, so edler Herren
würdigen 'l'hiere. Bis in die unscheinbarsten Einzelheiten erstreckt
sich die Gedankenfülle des Künstlers. Oben auf dem Berge, in
nächster Nähe der Einsiedler sind die Thiere im tiefsten Frieden;
weiter unten an der Grenze der bewohnten NVelt ist auch unter
ihnen schon Krieg; der Fuchs hat den Vogel überfallen. Bei den
Einsiedlern und Bettlern kommen noch die breiten Rücken und
stumpfen Gesichtszüge der Schule Giottols vor; übrigens sind die
Gestalten schlanker und in allen Bewegungen meisterlich gezeich-
net. Zur Erklärung dieser tiefsinnigeil malerischen Dichtung sind
an verschiedenen Stellen lnschriften und zwar wie sich auch bei
andern Malern dieser Zeit findet, in italienischen Versen angebracht.
Die Hölle hat wiederholt Uebermalungen, zum Theil sehr starke
erlitten die andern Theile beider Bilder sind dagegen sehr Wohl
erhalten, aber in der Ausführung nicht so sorgsam, wie die Fres-
ken in der Capella Strozzi, sondern kühner und roher behandelt.
Dies mag indessen entweder durch eine veränderte Praxis des
Meisters oder durch den Gebrauch von Gehülfen entstanden sein
und giebt keinen Grund daran zu zweifeln, dass die originellen und
geistreichen Compositionen wirklich von Orcagna herrührenidß).
Schon 1379 musste sie (wie ein von Bonaini entdecktes Dokument
ergiebtQ hergestellt werden, weil die Knaben, durch die phantastischen
Gestalten gereizt, sie beschädigt hatten. 1530 wurde sie vollständig und
nun mit Veränderung ganzer Figuren übermalt. Vergl. die Anm. zum
Vasari II. 127 und eine Zeichnung des ursprünglichen Werkes in Morrona,
Pisa illustrata.
W] Wie dies E. Förster, Beiträge S. 109 zu thun scheint. Da Vasari
(a. a. O. S. 128) auch noch eine Wiederholung dieser Pisaner Bilder von
Andrea. selbst in S. Croce von Florenz kannte, in welcher Veränderungen
und Porträts damals lebender florentinischer Notabilitäten angebracht waren,
so kann man ihn hier um so mehr für gut unterrichtet halten.