Andrea
Orcagua.
435
welches die andere Hälfte des Bildes füllt, in flammenspeiende
Schlünde stürzen. Das Innere dieser Schlüntle sieht man hier
nicht, der Berg ist offenbar die Aussenseite der Ilölle des ersten
Bildes, wohl aber bemerken wir auf dieser Aussenseite eine Er-
scheinung des Friedens, der die Hölle überwindet. In einem
Thale des Gebirges hebt sich eine Kapelle und daneben sehn wir
das fromme Leben der hier wohnenden Anachoreten, die theils in
Andachlübungen, theils mit der Beschaffung ihrer geringen Be-
dürfnisse beschäftigt sind. Einer dieser Einsiedler ist den Felsen-
pfad heruntergestiegen und trifft hier auf ein seltsames Ereigniss-
Eine fröhliche Jagdgesellschaft, gekrönte Herren mit ihren Damen
zu Ross, Diener mit Falken und Hunden sind hier vor einem
Schauspiel angelangt, das ihre Sinne beleidigt und selbst den.
Pferden und Hunden Schauder erweckt. Vor ihnen liegen näm-
lich in offenen Särgen drei vornehme Leichen in verschiedenen
Stadien der Verwesung, von Schlangen und Würmern umgeben.
Es ist die bekannte Legende von den drei Lebenden und drei
Todten, und jener Einsiedler, der mit dem Spruchbande in der
Hand neben den Leichen steht, der h. Macarius, der die warnende
Moral dieses Anblicks entwickelt. Endlich dann ganz im Vor-
grunde noch eine Gruppe. Neben jenem Haufen von Leichen der
höhern Stände stehn nämlich Krüppel, Blinde und Lahme, welche-
wie ihr Spruchband in italienischen Versen ausdrücklich sagt,
den Tod als Heilung ihrer Leiden herbeirufen. Der Inhalt des
Ganzen ist daher doch etwas 'l'ieferes als der „'l'riumph des
Todes"; es ist eine Predigt von der Eitelkeit aller irdischen Dinge
und den Gefahren des irdischen Genusses und zwar zunächst in.
ascelischem Sinne; wer jene Warnung der drei 'l'odten versteht,
Wer die Ebene des Lebens und ihre Genüsse flieht und die Ein-
samkeit auf der Höhe des Berges sucht, ist gesichert. Wer aber
hier sich dem Genüsse hingiebt, hat dort Strafe zu fürchten. Aber
diese Lehre ist nicht im abstracten Tone starren Gebots, sondern
mit vollem Gefühl für die Bedeutung des Schönen und Herrlichen
auch in diesem vergänglichen Leben vorgetragen. Wie anmuthig
ist jene Gartenscene, wie adlich jene Jagdgesellscbaft SclbSt in
der Ueberraschung des schaudererregenden Anblicks, wie leben-
dig sind die mannigfaltigenEindrücke geschildert. Der eine jün-
28g