Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

Andrea 
Orcagua. 
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welches die andere Hälfte des Bildes füllt, in flammenspeiende 
Schlünde stürzen. Das Innere dieser Schlüntle sieht man hier 
nicht, der Berg ist offenbar die Aussenseite der Ilölle des ersten 
Bildes, wohl aber bemerken wir auf dieser Aussenseite eine Er- 
scheinung des Friedens, der die Hölle überwindet. In einem 
Thale des Gebirges hebt sich eine Kapelle und daneben sehn wir 
das fromme Leben der hier wohnenden Anachoreten, die theils in 
Andachlübungen, theils mit der Beschaffung ihrer geringen Be- 
dürfnisse beschäftigt sind. Einer dieser Einsiedler ist den Felsen- 
pfad heruntergestiegen und trifft hier auf ein seltsames Ereigniss- 
Eine fröhliche Jagdgesellschaft, gekrönte Herren mit ihren Damen 
zu Ross, Diener mit Falken und Hunden sind hier vor einem 
Schauspiel angelangt, das ihre Sinne beleidigt und selbst den. 
Pferden und Hunden Schauder erweckt. Vor ihnen liegen näm- 
lich in offenen Särgen drei vornehme Leichen in verschiedenen 
Stadien der Verwesung, von Schlangen und Würmern umgeben. 
Es ist die bekannte Legende von den drei Lebenden und drei 
Todten, und jener Einsiedler, der mit dem Spruchbande in der 
Hand neben den Leichen steht, der h. Macarius, der die warnende 
Moral dieses Anblicks entwickelt. Endlich dann ganz im Vor- 
grunde noch eine Gruppe. Neben jenem Haufen von Leichen der 
höhern Stände stehn nämlich Krüppel, Blinde und Lahme, welche- 
wie ihr Spruchband in italienischen Versen ausdrücklich sagt, 
den Tod als Heilung ihrer Leiden herbeirufen. Der Inhalt des 
Ganzen ist daher doch etwas 'l'ieferes als der „'l'riumph des 
Todes"; es ist eine Predigt von der Eitelkeit aller irdischen Dinge 
und den Gefahren des irdischen Genusses und zwar zunächst in. 
ascelischem Sinne; wer jene Warnung der drei 'l'odten versteht, 
Wer die Ebene des Lebens und ihre Genüsse flieht und die Ein- 
samkeit auf der Höhe des Berges sucht, ist gesichert. Wer aber 
hier sich dem Genüsse hingiebt, hat dort Strafe zu fürchten. Aber 
diese Lehre ist nicht im abstracten Tone starren Gebots, sondern 
mit vollem Gefühl für die Bedeutung des Schönen und Herrlichen 
auch in diesem vergänglichen Leben vorgetragen. Wie anmuthig 
ist jene Gartenscene, wie adlich jene Jagdgesellscbaft SclbSt in 
der Ueberraschung des schaudererregenden Anblicks, wie leben- 
dig sind die mannigfaltigenEindrücke geschildert. Der eine jün- 
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