Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

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Andrea Orcagna. 433 
heit behandelt und mit neuen Gedanken des Malers gemischt. 
Man sieht,dass dieser die Schwächen des ersten Werkes, mochte es 
seine eigene Erfindung oder die seines Bruders sein, bemerkt und 
grössere künstlerische SelbStändigkeit gewonnen hatte. Neben 
der Hölle ist dann das Paradies nicht gesondert, sondernin untrenn- 
barer Verbindung mit dem jüngsten Gerichte dargestellt, welches 
die einfache Strenge regelmässiger Anordnung beibehalten hat, 
aber voll von ergreifenden und sinnreirhen Ziigen ist. Der Engel, 
Welcher zu den Füssen des die Urtheilssprüche verkündenden 
Erzengels voll Schrecken über die verhängten Strafen sein Gesicht 
mit dem Mantel verhüllt, der ernst und drohend die Wundenmale 
zeig-ende Christus, den der grosse Michelangelo vor Augen ge- 
habt, aber auch missdeutet zu haben scheint, sind bekannte, oft 
herausgehobene Gestalten, aber auch die Schaar gerüsteter Engel, 
welche mit eilendem Diensteifer aber auch mit ritterlichem An- 
stande die Befehle des göttlichen Gerichts vollstrecken, der Aus- 
druck der himmlischen Ruhe und Freudigkeit der Gerechten 
und die mannigfaltigen verzweifelten Bewegungen der Verur- 
theiltexi sind vortrefflich und von grossem Interesse. Noch viel 
geistreicher ist ein zweites, ebenfalls zwei Abtheilungen umfas- 
sendes Bild im Campo santo, das in den Urkunden des Archivs 
bei vorkommenden Reparaturen als Purgatoriof), jetzt aber 
gewöhnlich und richtiger als Tri um ph des T0 des bezeichnet 
wird. Es bildet otfetibar, wie Vasari es schon auffasst, eine Er- 
gänzung zu dem in dem ersterwähnten Bilde in typisch her- 
gebrauchter XVeise ausgeführten Gedanken des WVeltgerichts, 
indem es die Gegensätze des diesseitigen Lebens zeigt, Welche 
die des jenseitigen zur Folge haben. Auf der einen Seite des Bil- 
des sieht man nämlich unter heiterem Himmel und in einem an- 
muthigen Garten vornehm gekleidete Herren und Damen sitzen, 
wie sie, Falken auf der Hand oder das Hiindlein auf dem Schosse, 
auf die Töne der Harfe und Geige lauschen. Schöne Mädchen als 
Dienerinnen oder Hoffräulein stehn daneben, nackte Liebesgötter 
mit Fackeln schweben über ihnen. Sie ahnen nicht, wie nahe der 
Tod ihnen ist. Eine grandiose, höchst eigenthümliche Gestalt, 
nicht das Knochengerippe der spätem nordischen Kunst, sondern 
f] Dies versichert E. Förster, Beiträge 8.109. 
VII, 28 
Orcagna.
	        
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