Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

Andrea 
Pisano. 
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mäss, man sieht, sie ist mit Liebe betrachtet; aber dennoch herrscht 
das Ideale vor. Schon Giotto gab seinen Gestalten ein zwar von 
der Antike hergeleitetes, aber doch frei behandeltes Kostüm; 
schon er hatte zuweilen weibliche Gestalten in gürtelloser weiter 
und langer Tunica dargestellt, wohl hauptsächlich, um einfachere 
Massen zu erhalten; Andrea wendet dies bei jungen Mädchen fast 
durchgängig und zwar mit grösserer Kenntniss des Körpers so 
an, dass der leichte Stoff, die hervorragenden Theile berührend, 
die schönen V erhältnisse des Baues im Ganzen und in züchtigster 
VVeise andeutet, eine Behandlungsweise, welche demnächst auch 
die Maler dieser Schule sich aneigneten. Man kann überhaupt 
von Andrea rühmen, dass er erst den Styl des XIV. Jahrhunderts 
ausbildete , ihm neben der geistigen Wahrheit und Energie 
nun auch das nöthige Maass der Durchbildung und Schönheit gab. 
Nicht minder vorzüglich als der Erzguss der Thüre sind die 
zahlreichen Marmorwerke, Welche Andrea theils früher, wie z. B. 
das Reliefbild einer sehr sinnig aufgefassten Madonna mit dem 
Kinde am Aeussern der Kapelle der WVaisenbrüderschaft (des 
s. g. Bigallo) in Florenz, theils später und namentlich nach 1334 
für die unter Giotto's Leitung begonnene Facade und den Cam- 
panile des Doms lieferte, wo der grösseste Theil der Reliefs mit 
den verschiedenen Bestrebungen menschlicher 'l'hätigkeit und ei- 
nige der oberen kolossalen Statuen ihm zugeschrieben werden. 
Besonders sind jene vortrefflich und namentlich unter ihnen die 
Gestalt des Reiters, der auf schnellem Bosse in natürlichster Hal- 
tung dahineilt, Haar und Gewand fliegend und das Gesicht mit 
dem Ausdrucke treibender Eileäk). Bei jenen Statuen aber ist be- 
i") Dieser Reiter und das Bild der Schifffahrt bei Oicognara tab. 33, 
die Madonna vom Bigallo tab. 11. Ueber die Statuen der Faqade von 
S. M. del Fiore und von S. Marco vgl. Cicognara V01. III. p. 402 und tah. 32. 
 Von dem Monumente des Rechtsgelehrten Cino [T1337] im Dome von 
Pistoja, das Vasari dem Andrea zuschreibt, hat Ciampi urkundlich erwiesen, 
dass es durch einen Meister Cellino di Nese aus Siena nach der Zeichnung 
eines andern Meisters aus Siena, dessen Namen leider in der Urkunde er- 
loschen, gemeisselt ist. Auch ist es keineswegs im Style des Andreas, son- 
dern viel steifer und. geringer. Cicognara, der tab. 35 eine Abbildung giebt, 
glaubt die Zeichnung dem Goro di Gregorio aus Siena zuschreiben zu 
müssen. Vgl. Vasari a. a. O. II. 40 in der Anm.
	        
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