Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

Zünftige 
Stellung 
der 
Künstler. 
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Wie sehr dieser Geist grade durch die zünftige Erziehung 
befordert wurde, mögen einige Stellen aus dem 'l'ractate des Cen- 
nino beweisen. Küste dich, so ruft er in der Einleitung dem Jün- 
ger der Kunst zu, rüste dich mit Liebe, Furcht, Gehorsam und 
Beharrlichkeit, und dann begieb dich unter die Leitung eines 
Meisters so frühe du kannst und bleibe darin so lange du kannst. 
Ein Jahr, so bestimmt er näher, soll der Knabe vorbereitend zeich- 
nen, dann in die Werkstätte eintreten und da zuerst sechs Jahre 
mit den untergeordneten Arbeiten, mit F arbenreiben, Leimkoehen, 
Gypsauftragen und dann noch eben so lange mit Zeichnen und 
Malen zubringen. Suche, sagt er an einer anderen Stelle, viel 
nach grossen Meistern zu zeichnen, und zwar nach den besten 
und berühmtesten, und wenn du an einem Orte lebst, wo viel gute 
Meister sind, desto besser für dich. Aber hüte dich dabei zu wech- 
seln, denn wenn du heute nach diesem, morgen nach jenem ar- 
beitest, Wirst du Weder des einen noch des andern Manier erlan- 
gen und schwankend und unsicher werden. Bleibst du aber bei 
einem und demselben, so muss dies Frucht bringen, und du Wirst 
später, sofern du nur ein wenig Phantasie von der Natur erhalten 
hast, dir auch eine eigne Manier bildende). Wie wenig diese Er- 
mahnungen blosse Worte Waren, beweist schon die 'l'reue, mit der 
Taddeo Gaddi, obgleich er inzwischen zum bedeutenden Künstler 
herangereift war, in Giottois WVerkstatt 24 Jahre, und Cennino 
in der des Agnoto Gaddi 12 Jahre ausharrte, und endlich die 
Verehrung, in der Giotto noch lange nach seinem Tode bei Cen- 
nino, der höchstens sein künstlerischer Llrenkel war, und bei 
Ghiberti, dessen Zusammenhang mit ihm noch loser ist, ja man 
kann sagen bei allen Künstlern standw). 
i") Vgl. hauptsächlich die Kap. 3 und 104 des Tractats. 
H) Als ein Beispiel der Pietät mag hier die Inschrift Platz finden, in 
welcher sich der unten näher zu erwähnende Tinus von Siena an einem 
Grabmale im Dome zu Florenz v. J. 1321 nennt: Operum de Senis natus 
QX magistro Camaino in hoc sitn florentino Tinns sculpsit omne latns. Hune 
P10 patre genitivo decet inclinari, ut magister illo vivo nolit appellari. (In 
llllvollkommener Uebersetzung: Stainmend von dem Dombaumeister der 
Seneser Camaino hat im Florentiner Lande diese Wand gemeisselt Tino. 
Welcher, solchem Vater seine schuld'ge Ehrfurcht zu bekennen, will sich 
Während dieser lebet niemals Meister nennen).
	        
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