Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

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Giottds 
Schule. 
Gnade Gottes berufene Olienbarer, welche den Unwissenden die 
wunderbaren Thaten des Glaubens zu verkünden haben's), und 
Cennino leitet die sehr handwerklichen Regeln seines Handbuchs 
mit einer schwülstigen Definition der Malerei ein, in welcher er es 
als ihre Aufgabe bezeichnet, nicht gesehene Dinge, von denen die 
natürliche Erscheinung nur den Schatten gebe, zu entdecken  
Dieser Dünkel verleitete dann auch leicht zu einer oberfläch- 
licheren Behandlung des Technischen. Schon Giotto hatte mit 
grösserer Leichtigkeit gearbeitet als seine Vorgänger. Nach einer 
hohen geheimnissvolleil Schönheit zu ringen, war nicht seine Anf- 
gabe; um zu lehren und anzuregen hatte er vielmehr eines feuri- 
gen, rasch vorschreitenden Vortrags bedurft und danach seine 
technischen Mittel und Gewohnheiten eingerichtet. Bei ihm selbst, 
bei seiner Gedankenfülle, bei der Unmittelbarkeit seines Schaffens 
und seinem tiefen Gefühl für Harmonie des Ganzen hatte das keine 
Gefahr. Aber für seine Nachfolger, die nicht mehr so wie er aus 
der Tiefe der Brust schöpften, sondern sich der von ihm gegebenen 
Vorbilder bedienten, die überdies den ungednldigen Anforderun- 
gen eines grössern, weniger ausgewählten Pnblicums nachkom- 
men sollten, War diese leichte Technik verführerisch. 
Indessen bildete die massenhafte, handwerkliche Production 
doch nur den Hintergrund für das Schaffen der hervorragenden 
Künstler und das Zunftwesen hatte neben den bedenklichen auch 
sehr günstige Folgen. Es erzeugte einen Geist der Zucht und 
Pietät, schlichter Demnth und religiöser Innigkeit, welcher selbst 
den untergeordneten Arbeiten einen gewissen Werth giebt, be- 
sonders aber den hervorragenden Meistern zn Statten kam, indem 
er es ihnen möglich machte, durch die nnbefangene Benutzung 
ihrer Vorgänger sich die Vorzüge derselben anzueignen und bis zu 
bewnndernswcrther Gedankentiefe und Gefiihlswärme zu steigern. 
"j Milanesi Docnmenti I und Gaye Carteggio II. Imperioche noi siamo 
per 1a grazia di Dio manifestatori algli uomini grossi, ehe non sanno lectere, 
de le cose miraculose operate per virtü o in virtü de 1a sancta fede. 
ü)    di trovare eose non vedute (cacciandosi sotf ombra di naturali] 
e formar con 1a mano, dando a dimostrare quello che non a sia. Vielleicht 
will er blass sagen, dass der Künstler Hergänge, die er nicht erlebt habe, 
natürlich darzustellen habe. Allein auch dann zeigen diese preciösen Ans- 
drücke den Werth, den man auf den geistigen Theil der Aufgabe legte.
	        
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