412
Giottds
Schule.
Gnade Gottes berufene Olienbarer, welche den Unwissenden die
wunderbaren Thaten des Glaubens zu verkünden haben's), und
Cennino leitet die sehr handwerklichen Regeln seines Handbuchs
mit einer schwülstigen Definition der Malerei ein, in welcher er es
als ihre Aufgabe bezeichnet, nicht gesehene Dinge, von denen die
natürliche Erscheinung nur den Schatten gebe, zu entdecken
Dieser Dünkel verleitete dann auch leicht zu einer oberfläch-
licheren Behandlung des Technischen. Schon Giotto hatte mit
grösserer Leichtigkeit gearbeitet als seine Vorgänger. Nach einer
hohen geheimnissvolleil Schönheit zu ringen, war nicht seine Anf-
gabe; um zu lehren und anzuregen hatte er vielmehr eines feuri-
gen, rasch vorschreitenden Vortrags bedurft und danach seine
technischen Mittel und Gewohnheiten eingerichtet. Bei ihm selbst,
bei seiner Gedankenfülle, bei der Unmittelbarkeit seines Schaffens
und seinem tiefen Gefühl für Harmonie des Ganzen hatte das keine
Gefahr. Aber für seine Nachfolger, die nicht mehr so wie er aus
der Tiefe der Brust schöpften, sondern sich der von ihm gegebenen
Vorbilder bedienten, die überdies den ungednldigen Anforderun-
gen eines grössern, weniger ausgewählten Pnblicums nachkom-
men sollten, War diese leichte Technik verführerisch.
Indessen bildete die massenhafte, handwerkliche Production
doch nur den Hintergrund für das Schaffen der hervorragenden
Künstler und das Zunftwesen hatte neben den bedenklichen auch
sehr günstige Folgen. Es erzeugte einen Geist der Zucht und
Pietät, schlichter Demnth und religiöser Innigkeit, welcher selbst
den untergeordneten Arbeiten einen gewissen Werth giebt, be-
sonders aber den hervorragenden Meistern zn Statten kam, indem
er es ihnen möglich machte, durch die nnbefangene Benutzung
ihrer Vorgänger sich die Vorzüge derselben anzueignen und bis zu
bewnndernswcrther Gedankentiefe und Gefiihlswärme zu steigern.
"j Milanesi Docnmenti I und Gaye Carteggio II. Imperioche noi siamo
per 1a grazia di Dio manifestatori algli uomini grossi, ehe non sanno lectere,
de le cose miraculose operate per virtü o in virtü de 1a sancta fede.
ü) di trovare eose non vedute (cacciandosi sotf ombra di naturali]
e formar con 1a mano, dando a dimostrare quello che non a sia. Vielleicht
will er blass sagen, dass der Künstler Hergänge, die er nicht erlebt habe,
natürlich darzustellen habe. Allein auch dann zeigen diese preciösen Ans-
drücke den Werth, den man auf den geistigen Theil der Aufgabe legte.