Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

Ihr 
Verhältniss 
Zllf 
Natur. 
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keit der natürlichen Erscheinung ausschlossen. Die Palette ist so 
beschränkt, dass dasselbe Grün, mit welchem das Wasser und 
die Fische darin (diese mit andern Schatten und mit kleinen Gold- 
lichtern) gemalt werden, auch zu denSchatten desFleisches dient. 
Dies alles beweist zur Genüge, dass die Zeitgenossen unter 
derNatürlichkeit, die sie an Giotto rühmen, nicht eine äusserliche, 
Sondern eine innere Naturwahrheit verstanden. Es ist ziemlich 
dasselbe, was Cennino mit dem Ausdrucke bezeichnet, dass Giotto 
die Kunst aus dem Griechischen inis Lateinische übersetzt habeäc). 
Statt der einfachen, starren Hoheit der bisherigen Bilder, die dem 
Beschauer vielleicht imponirend und Andacht erweckend, aber 
dunkel und unverständlich entgegentreten, wie eine Rede in fremder 
Sprache, gab Giotto Gestalten, Welche ihre Gefühle deutlich aus- 
sprechen, lebende Menschen, mit denen der Beschauer geistig 
verkehren, in denen der Künstler sich selbst, seine eigenen natio- 
nalen Emplindungcn ausdrücken konnte. Erst jetzt redete die 
Kunst daher die Landessprache, und diese ihre innere sittliche 
Wahrheit war für die daran nicht gewohnten Zeitgenossen so 
hinreissenrl, dass sie sich seinen Bildern gegenüber wie im Leben 
Selbst fühlten und ihre Phantasie nun auch das Körperliche er- 
gänzte und es bis zur 'l'äuschung dargestellt glaubte. 
Daher denn auch die gewaltige Begeisterung, welche seine 
VVerke schon bei seinem Leben und in erhöhtem Maasse nach sei- 
"E111 Tode erweckten, die rasche Verbreitung seines Styls, die an- 
haltende Verfolgung des von ihm eingeschlagenenWeges. WVie vor 
einem halben Jahrhunderte die Vulgärpoesie, machte jetzt seine 
Kunst die Runde durch die ganze Halbinsel, allmälig auch in die 
entlegensten Orte eindringend. Es war eine zweite Sprache, die 
der Nation gegeben wurde, eine populärere, anschaulichere, durch 
Welche nicht bloss die Gefühle und ethischen Anschauungen, son- 
dern auch die Gedanken und Begriffe der sich immer mehr ver- 
breitenden scholastischen Bildung einen verständlichen Ausdruck 
erhielten. Die Liebe zur Kunst erstreckte sich über alle Stände. 
xVer es nur irgend vermochte. betheiligte sich an der Stiftung 
malerischer Werke, die XVände der Kirchen bedeckten sich mit 
ausgedehnten Fresken, die Altäre mit figurenreichen 'l'afelbildern; 
a") S. oben S. 272.
	        
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